Exkursion 2023

Exkursion Leipzig

Am 7. September startete die Sektion Hessen ihre traditionelle Fachexkursion. Hauptziele dieser 50. kartographisch-geographischen Exkursion waren in diesem Jahr Gotha und Leipzig. Die Abfahrt fand mit 7:30 Uhr relativ zeitig statt, da bereits am späten Vormittag in Gotha der erste Programmpunkt eingeplant war. Wie gewohnt erhielten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu Beginn der Reise einen ausführlichen Exkursionsführer mit Stadtplänen der Aufenthaltsorte, thematischen Karten sowie weiterem Informationsmaterial in Textform.

Die Reiseroute führte von Frankfurt am Main entlang der Wetterau, durch die Hessische Senke, vorbei am Vogelsberg und Knüll, zunächst bis zum Kirchheimer Dreieck, wo am Autohof die letzten zwei der insgesamt 38 Fahrgäste zustiegen. Weiter ging die Fahrt über Eisenach bis Gotha. Während der Fahrt gab es durch den Verfasser Erläuterungen zur Geologie und Geomorphologie der durchfahrenen Landschaften.

In Gotha stand der vereinbarte Besuch der Perthes Sammlung auf dem Programm. Frau Dr. Weigel, Leiterin der Abteilung Sammlung Perthes der Forschungsbibliothek Gotha, Universität Erfurt, hatte die Sektion Hessen hierzu eingeladen. Leider war Frau Dr. Weigel an diesem Tag dienstlich anderweitig verpflichtet, sodass sie sich von Herrn Dominic Keyßner M. A., Doktorand über die Verlagsgeschichte des 20. Jahrhunderts von Justus Perthes und VEB Hermann Haack, vertreten ließ. Nach dem Empfang der Exkursionsgäste im würdigen Ahnensaal des vormaligen Verlages stellte Herr Keyßner ausgewählte Beispiele aus der Produktion des Hauses vor und erläuterte sie auf hervorragende Weise, stets dabei die Verlagsgeschichte im Auge behaltend.


Mit dekorativen Symbolen versehene Außenwand des Perthesforums
(Foto: W. Mehlitz)

Nebst „Gothaischem Genealogischen Hofkalender“, wurden zunächst der Handatlas von Adolf Stieler und der Historisch-Geographische Handatlas von Karl Spruner vorgestellt. Als Sammlung thematischer Karten wurde der ab 1838 von Heinrich Berghaus publizierte „Physikalische Atlas“ präsentiert. Es folgte die „Map of Part of Africa“, eine Karte zur Expedition „Central Africa“ der Jahre 1850-1853, an der Heinrich Barth beteiligt war. Ein Band der seit 1855 veröffentlichten „Petermanns Mitteilungen“ stand für die weit bekannte Schriftenreihe des Hauses, die zahlreiche geographische Berichte mit Kartierungen und gedruckten Karten enthielt. Ein exzellentes Beispiel für eine Kartenreihe vom Entwurf bis zum fertigen Druck bildete die aus vier Tafeln bestehende Arbeit „Dr. W. Junkers Reisen im Nordosten & Central Afrika“ von 1876. Besondere Aufmerksamkeit erweckte die große, mit mehreren Nebenkärtchen versehene „Chart of the World“, die Hermann Berghaus 1863 im Perthes-Verlag veröffentlichte. Für die beginnende methodische Schulgeographie stand der Schulatlas von Emil von Sydow zur Ansicht. Dazu wurde die Wandkarten­sammlung mit Darstellungen von Emil von Sydow und Hermann Haack vorgestellt. Darüber hinaus durfte die Besuchergruppe einen Blick in die aus 1.650 Exemplaren bestehende Kupferstichplattensammlung und in das moderne Bibliotheksmagazin mit seinen 120.000 Bänden werfen.


Besuchergruppe der Sektion Hessen im Ahnensaal der Perthes Sammlung. Dominic Keyßner erläutert den Gästen ausgewählte Produkte des Verlages
(Foto: W.-F. Bär)

Parallel zum Besuch der Sammlung Perthes fand für die übrigen Exkursions­teilnehmer und -teilnehmerinnen ein Stadtrundgang statt, der von den Schlossgärten mit Orangerie über die Wasserkunst zur Innenstadt mit Rathaus und St. Margarethenkirche reichte und von Frau Voll von der Tourist-Information „Gotha adelt“ geführt wurde.


Das Schloss Friedenstein in Gotha. Davor die Statue des Herzogs Ernst dem Frommen (Foto: W. Mehlitz)

Gotha. Blick von der Wasserkunst über den Hauptmarkt zum Historischen Rathaus von 1571 (Foto: W.-F. Bär)

Nach den Veranstaltungen traf man sich im Stadtzentrum zur individuellen Mittagspause. Im Anschluss wurde die Fahrt nach Leipzig fortgesetzt, das gegen 18:00 Uhr erreicht wurde. Den Abend verbrachten alle bei einem gemeinsamen Buffet im Hotel.

Der 2. Exkursionstag galt ganz der Stadt Leipzig. Am Vormittag stand ein Stadtrundgang in zwei parallelen Gruppen auf dem Programm. Die Führung übernahmen Frau Haage-Hussein und Frau Poppitz von der „Leipzig Erleben GmbH“. Der Rundgang konzentrierte sich auf den Altstadtkern, dessen Straßenzüge und Plätze noch zahlreiche Bauwerke aufweisen, die aus dem Barock, Klassizismus und Jugendstil stammen und von den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges verschont geblieben sind bzw. zwischenzeitlich schon restauriert wurden. Eindrucksvoll stellen sich die Passagen, die sogenannten Durchhäuser, mit ihren Innenhöfen dar, ein Relikt oder Umbau vormaliger Handelshöfe der Kaufleute. An der Nikolaikirche wurde auf die hier stattgefundenen Montagsgebete und auf die Ereignisse von 1989 eingegangen.


Leipzig. Besuchergruppe auf dem Nikolaikirchhof; vorne die Nikolaisäule
(Foto: W. F. Bär)

Reichlich geschmückte mehrstöckige Fassade des Speckshofs. Das Gebäude steht als ein Beispiel für die Messehausarchitektur von Leipzig am Anfang des 20. Jahrhunderts (Foto: W. Mehlitz)

Am Naschmarkt strahlte das weiße Gebäude der Alten Börse, ehemaliger Versammlungsort der Kaufmannschaft. Das davorstehende Goethe-Denkmal ist direkt auf die Mädler-Passage gerichtet, eine Einheit aus Messehaus und überdachtem Durchgang, in der sich die Figuren des Dr. Faustus und Mephisto sowie im Untergeschoss Auerbachs Keller befinden. In unmittelbarer Nähe liegen der weite Marktplatz mit dem prachtvollen Renaissancegebäude des Alten Rathauses und den umrahmenden Gebäuden. Schlusspunkt der Führung war der Thomaskirchhof, ein idyllischer, mit zahlreichen Cafés und Restaurants, dem Bach-Museum und Bach-Denkmal ausgestatteter Platz. Leipzig, und speziell der alte Kern, vermittelte den Eindruck einer freundlichen, lebendigen und attraktiven Stadt.


Der Naschmarkt in Leipzig. Im Vordergrund die Bronzestatue des jungen Wolfgang Amadeus Goethe, dahinter die Fassade der 1678 errichteten und mit zahlreichen Ornamenten versehenen Alten Börse (Foto: W. Mehlitz)

Das Renaissancegebäude des Alten Rathauses. Der Turm erhielt im 18. Jahrhundert eine barocke Haube. Seit 1905 dient das Gebäude als Stadtgeschichtliches Museum (Foto: W.-F. Bär)

Die spätgotische Thomaskirche in Leipzig. Ausstattung des Hauptschiffs mit farbigen Gewölberippen (Foto: K.-H. Staubach)

Der Nachmittag war einer zweistündigen gemeinsamen Stadtrundfahrt mit einem Bus der „Leipzig Erleben GmbH“ unter Leitung von Frau Poppitz vorbehalten. Am Hotel beginnend führte die Route zunächst in den NW, zum Stadtviertel Gohlis, mit den Anlagen des Leipziger Zoos, dem Schillerhaus und dem Gohliser Schlösschen. Weiter ging es vorbei an den Rosentalwiesen, am Kleingartengebiet und dem Sportforum mit der Red Bull Arena, über das Elsterbecken zu den Stadtteilen Lindenau und Plagwitz mit ihren Industriebauten und Arbeiterwohnhäusern. Entlang des Karl-Heine-Kanals und durch den Leipziger Auwald ging es durch das Musikerviertel zum Johannapark und dem monumentalen Bau des restaurierten Bundesverwaltungsgerichts. Am Völkerschlachtdenkmal, dem südlichsten Punkt der Strecke, wurde ein kurze Fotopause eingelegt. Auf dem Weg zurück ins Zentrum wurden die Bauten der Deutschen Nationalbibliothek, der russischen Gedächtniskirche, des Bayerischen Bahnhofs von 1842, der Probsteikirche St. Trinitatis und des Neuen Rathauses in Augenschein genommen. Am zentralen Augustusplatz angelangt wurden zum Abschluss das Gewandhaus von 1981 mit dem davor befindlichen Mendebrunnen, das Opernhaus aus den 1950er Jahren, das Paulinum mit seiner Glasfassade, heute ein Teil der Universität, sowie das City-Hochhaus vorgestellt und erläutert. Der Abend stand den Teilnehmern und Teilnehmerinnen zur freien Verfügung.


Das im Südosten von Leipzig gelegene Denkmal an die im Oktober 1813 stattgefundene Völkerschlacht wurde aus Granitporphyr errichtet und 100 Jahre später vom Deutschen Kaiser eingeweiht (Foto: W.-F. Bär)

Die aus weißem Kalkstein erbaute und mit vielen Skulpturen und Reliefs geschmückte Frontseite des Neuen Rathauses, das 1905 bezogen wurde. Der zentrale Turm ist 114,7 m hoch (Foto: K.-H. Staubach)

Der Samstag war einer ganztägigen Fahrt in das südlich der Metropole gelegene „Leipziger Neuseenland“ gewidmet. Die Tour stand unter der Führung von Prof. Dr. Andreas Berkner, Leiter des Regionalen Planungsverbandes Leipzig-Westsachsen. Unmittelbar nach dem Start begann Prof. Dr. Berkner die Reisegäste über die an der Strecke liegenden Objekte, das Landschaftsbild und die an ihm vorgenommenen bzw. eingetretenen Veränderungen zu informieren. Die Strecke verlief zunächst Richtung A 38 und ab hier in westliche Richtung vorbei am Freizeitpark „Belantis“ sowie um den Zwenkauer See bis zum aktiven „Tagebau Vereinigtes Schleenhain“, ein ca. 60 km² großes Areal, das von der MIBRAG mbH betrieben wird. Nach kurzer Fahrt durch das Grubengelände gelangte man zum „Inneren Aussichtspunkt“. Von hier aus hatte man einen großartigen Blick auf das weite Braunkohleabbaugebiet, das einer zerstörten Landschaft gleichkommt, in großen Teilen sogar einer Badland-Landschaft entspricht. In der Ferne ließen sich die eingesetzten Großgeräte ausmachen. Prof. Dr. Berkner erläuterte hier Geologie, Abbautechniken, Umsiedlungsmaßnahmen, Strukturwandel sowie aktuelle Fragen des für 2035 vorgesehenen Kohleausstiegs. Den am Standort vorhandenen Schautafeln konnten zahlreiche weitere Details entnommen werden. Die Förderung der Kohle beträgt bis zu 11 Mio. Tonnen pro Jahr, die Abraumleistung liegt für den Zeitraum bei 30-38 Mio. Kubikmeter.


Das zerrachelte Braunkohleabbaugebiet „Tagebau Vereinigtes Schleenhain“ westlich von Neukieritzsch. Im Hintergrund die rauchenden Türme des Kraftwerks Lippendorf. Aufnahme vom „Inneren Aussichtspunkt“
(Foto: W. Mehlitz)

Entstandene Badland-Landschaft im Bereich des Kohleabbaugebietes „Vereinigtes Schleenhain“ (Foto: W. Mehlitz]

Im Anschluss wurde das in Sichtweite gelegene Kraftwerk Lippendorf und speziell sein Kommunikationszentrum besucht. Das Dampfkraftwerk stellt eine Doppelblockanlage dar und wird mit Braunkohle von der LEAG betrieben, die sie auf Förderband von der MIBRAG mbH erhält. Jeder Block erbringt eine Leistung von 875 MW. Die Stadt Leipzig wird von Lippendorf aus per Fernleitung mit Wärme beliefert. Im Foyer des Zentrums steht ein anschauliches Modell der Anlage.


Das von der LEAG betriebene Kraftwerk Lippendorf (Foto: W. Mehlitz)

Vorbei an Lobstädt mit seinem im Aufbau befindlichen 500 ha umfassenden Photovoltaik-Freiflächenpark „Witznitz“ wurde mit dem „Bergbau-Technik-Park“ der nächste Standort der Tagesfahrt erreicht. Dieses unweit des Störmthaler Sees ca. 5,5 ha große Areal stellt ein Ausstellungsgelände dar, in dem vor allem die Giganten der Bergbaugroßgerätetechnik bewundert werden können. Hierzu zählen der 1.300 t schwere Schaufelradbagger „1547“ und der 2.400 t wiegende Absetzer „1115“.


Bergbau-Technik-Park. Der ausgestellte Schaufelradbagger „1547“
(Foto: W. Mehlitz)

 


Bergbau-Technik-Park. Das Bandabwurfgerät „1115“, ein sogenannter „Absetzer“ (Foto: W. Mehlitz)
Panoramabild in voller Größe ansehen

Nach der anschließenden Mittagspause am Störmthaler See westlich Lagovida wurde das Dorf Dreiskau-Muckern vorgestellt, das als Beispiel für eine kurz vor der endgültigen Umsiedlung und Devastierung stehenden und noch geretteten Ortschaft steht. Vorbei an Güldengössa mit seinem Barockschloss, heute Stammhaus der „Geiger Edelmetalle AG“, wurde als letzter Punkt der Fahrt die Auenhainer Bucht des Markkleeberger Sees angefahren. Nebst Strand, Sportboot- & Wassersportschule, Kletterpark und Modellbahnpark ist der Kanupark die herausragende Attraktion. Als Abschluss der gelungenen, sehr informativen Tagestour unternahm die Reisegesellschaft eine einstündige entspannende Seerundfahrt mit der MS Markkleeberg.


Der neu errichtete Kanupark an der Auenhainer Bucht des Markkleeberger Sees
(Foto: A. Illert)

Wieder in Leipzig traf sich die Reisegruppe zu einem gemeinsamen Buffet im Ratskeller des Neuen Rathauses und feierte bei der Gelegenheit – für die meisten eine Überraschung – die 50. Sektionsexkursion.


Weißenfels. Blick über den Marktplatz zum Schloss Neu-Augustusburg
(Foto: W.-F. Bär)

Gebäude und Hof des Schlosses Neu-Augustusburg in Weißenfels. Rechts der bereits restaurierte Trakt (Foto: W.-F. Bär)

Der letzte Tag der Exkursion stand ganz im Zeichen der Rückfahrt. Am späten Vormittag wurde in Weißenfels ein kurzer Informationsrundgang vorgenommen. Zur Mittagszeit erfolgte eine längere Pause in Eisenach.


Der Karlsplatz mit der Nikolaikirche und dem Nikolaitor in Eisenach
(Foto: W.-F. Bär)

Frankfurt am Main wurde wie vorgesehen gegen 19:30 Uhr erreicht.

 

Werner-Francisco Bär, Oberursel (Taunus)

nach oben
© Sektion Hessen der Deutschen Gesellschaft für Kartographie