Exkursion 2013

Lothringen

39 Mitglieder und Gäste der Sektion Hessen der DGfK trafen sich am Frankfurter Hauptbahnhof zu ihrer 41. Exkursion, die in diesem Jahr nach Lothringen führte; darunter auch befreundete Kollegen der Sektion Thüringen. Prof. Dr. Ingo Eberle, Wirtschafts- und Sozialgeograph an der Universität Trier, der als profunder Kenner der Region Lothringen die Exkursion fachlich kompetent leitete, stieg später mit Gattin an der Goldenen Bremm bei Saarbrücken dazu. Die Teilnehmer erhielten zu Beginn einen umfangreichen Exkursionsführer, der Karten, Grafiken, Tabellen und Texte enthielt, und vom Verfasser dieser Zeilen während der Hinfahrt vorgestellt wurde.

In Lothringen angekommen wurde im Raum Forbach bis zum frühen Nachmittag als erster Themenkomplex der Steinkohlebergbau in seiner Entstehung, Entwicklung und seinem Niedergang mit all den Konsequenzen für Landschaft, Bevölkerung und Siedlungsbau behandelt. Eine Rundfahrt durch Behren-lès-Forbach, einer Bergarbeitersiedlung der 50er Jahre, und Freyming-Merlebach unterstützte die Erläuterungen. Ein halbstündiger Spaziergang entlang der deutsch-französischen Grenze am Rande des Warndt-Waldes von der zu Freyming-Merlebach gehörenden Cité Reumaux, deren Bauten aus den 1920er Jahren stammen, führte zur Aussichtsplattform Belvédère, die einen prächtigen Blick in die stillgelegte Kohlen- und Sandgrube von Freyming gestattete. Trotz der trüben Wetterlage ließen sich die Wasserflächen und die beidseitig anstehenden ockerfarbenen steilen Buntsandsteinwände, die Kohlenabraum- und die renaturierte Halde sowie in der Ferne die Fördertürme stillgelegter Bergbaubetriebe und die Hochöfen von Carling–St.-Avold ausmachen.


Blick vom Belvédère in die Grube des ehemaligen ostlothringischen Bergbaus bei Freyming-Merlebach. Rechts der anstehende Buntsandstein (Foto: W.-F. Bär)

Nach Bezug des Hotels in Metz stand eine Besichtigung der Regionalmetropole auf dem Programm. Bei einem von Prof. Eberle geführten mehrstündigen Rundgang wurden Geschichte und Entwicklung der Hauptstadt des Départements Moselle sowie ihre Bedeutung für die Region als Wirtschafts- und ehemaliges militärisches Zentrum herausgestellt und der Gegensatz zur Residenzstadt Nancy aufgezeigt. Zu den Hauptpunkten der Begehung gehörten der Bahnhofsbereich mit den Bauten aus wilhelminischer Zeit, die Citadelle, die Templer-Kapelle, die romanische Halle und ehemalige Basilika St.-Pierre-aux-Nonnains, die Esplanade mit Justizpalast, die Kathedrale St.-Etienne, das Einkaufszentrum St.-Jacques sowie die Place St.-Louis, wobei dem Besuch der Kathedrale mit ihren großartigen Fenstern, u. a. von Marc Chagall, die meiste Zeit gewidmet wurde. Den Abend verbrachte man gemeinsam bei typisch lothringischer Küche in einem Restaurant an der Place de la Comédie.


Links: Westfassade der gotischen Kathedrale Saint-Étienne in Metz. Unter der großen Rosette das neugotische Portal
Rechts: Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies, Fenster von Marc Chagall im Querschiff der Kathedrale Saint-Étienne
(Fotos: W. Mehlitz)

Metz, Place Saint-Louis. Langgestreckter, mittelalterlicher Platz mit aneinander gereihten Häusern und Laubengängen (Foto: W.-F. Bär)

Das Programm des zweiten Tages begann mit einem Halt am Nouveau Port de Metz, dem größten Binnenumschlagshafen für Getreide in Frankreich. Prof. Eberle wies in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Metz als Verkehrsknotenpunkt im Kanal-, Eisenbahn- und Straßennetz hin und nutzte die Gelegenheit, um darüber hinaus eine Zusammenschau der am Vortage gelegentlich angesprochenen geologischen und geographischen Verhältnisse Lothringens zu geben. Im Anschluss daran folgte man Richtung Thionville dem Moseltal mit den vielen Kiesgrubenseen und gleichzeitig der Nord-Süd-Achse der ehemaligen Eisen- und Stahlindustriestandorte und begab sich zum mitten in einem Waldstück gelegenen Touristen- und Thermalzentrum Amnéville-les-Thèrmes, ein 600 ha großes Areal, das als gutes Beispiel für eine Nachfolgenutzung angesehen werden kann. Unter den vielen Einrichtungen, die bei einem Rundgang beobachtet wurden, seien hier nur die Zentraltherme, das Aquarium, die Schwimmhalle, die Eissporthalle, das Seven Casino, das Hotel Plaza und der weit bekannte Zoo herausgegriffen. Auffallend war auch das mehrgliedrige Kunstwerk von Elena Paroucheva, das sich zwischen den Parkplätzen auf einer Strecke von 1,2 km befindet und an vier Deltamasten mittels farbiger Stahlstäbe Licht, Wasser, Energie und Flamme symbolisieren soll. Über Rombas, ein stillgelegtes Stahlhüttenzentrum, das wie die Orte Gandrange und Amnéville im Orne-Tal liegt, gelangte man ins Fensch-Tal und damit in die Industriegasse Uckange-Hayance, in der ursprünglich mehrere Eisen- und Stahlwerke ihren Standort hatten (Ausnahme ist Uckange, dessen Hochofenkomplex heute als Museum eingerichtet ist), sowie in der Fortsetzung direkt weiter nach Longwy. Eine wenn auch kurze Rundfahrt durch den grenzüberschreitenden Raum Longwy/Athus/Pétange-Rodange vermittelte einen guten Eindruck vom trinationalen, französisch-belgisch-luxemburgischen gewerblichen Entwicklungspool PED (Pôle Eupopéen de Développement), der als Folge zahlreicher Stilllegungen und Umstrukturierungen ins Leben gerufen worden ist. Anschließend wurde die Festungsstadt Longwy-Haut aufgesucht. Auf dem Weg dorthin konnte man sich vom Aussichtspunkt Belvédère ein Bild von der an der Dogger-Schichtstufe gelegenen Stadt und den brachliegenden Industrieflächen mit teils erhaltenen Hochöfen der ehemaligen Stahlwerke machen.


Blick in das Tal der Chiers bei Longwy. In der Mitte Reste ehemaliger Hochöfen der Stahlindustrie. Rechts der markante Schichtstufenrand des Doggers (Foto: W.-F. Bär)

An der Festung angekommen wurden bei einem Rundgang von der Porte de France bis zum zentralen ehemaligen Exerzierplatz mit Kirche, altem Rathaus und Mittelbrunnen Geschichte, Architektur und Nutzung des von Vauban, dem Festungsbaumeister Ludwigs XIV., errichteten und seit 2008 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Bauwerks erläutert.


Exkursionsgruppe bei der Besichtigung der Festungsstadt Longwy-Haut
(Foto: W.- F. Bär)

Nächster Standort und Hauptprogrammpunkt des Nachmittags war das östlich Thionville bei Veckring gelegene Fort Hackenberg, eine der größten Bunkeranlagen der Maginot-Linie. Die Deutsch sprechende Führerin des für Besuche zuständigen Vereins AMIFORT hat es ausgezeichnet verstanden, den Gästen in rd. 2½ Stunden bei einer unterirdischen Temperatur von etwa +12° C einen großen Teil der Anlage vorzustellen, wozu nebst Schächten mit Gleisanlagen und Stellwerk Großküche, Lazarett, Kraftwerk mit Dieselgeneratoren, Elektrizitätswerk, Kampfblöcke mit Gefechtsturm sowie die zum Waffen- und Munitionsmuseum umgebaute Kaserne gehörten.


Fort (Ouvrage) Hackenberg. Zu Beginn der Besichtigung Vorstellung des Lageplans einer der größten Bunkeranlagen an der Maginot-Linie (Foto: W.-F. Bär)

Gleisanlagen in den unterirdischen Gängen des Festungsbaus Hackenberg
(Foto: W.-F. Bär)

Besonders für Eisenbahnfans war die Fahrt auf einer ca. 4 km langen, zwischen den einzelnen Bunkern elektrisch betriebenen Schmalspurbahn zweifelsohne ein Erlebnis. Wieder in Metz stand der Abend zur freien Verfügung.

Am dritten Exkursionstag ging es zunächst in südliche Richtung nach Nancy, Residenzort und Hauptstadt des Départements Meurthe-Moselle. Startpunkt der hiesigen Stadtführung von Prof. Eberle war der Parc de la Pépinière, eine am Rande des Zentrums im englischen Stil angelegte Parkanlage. Hier wurden Entstehung, Geschichte, Aufbau und vorrangig barocke Gestaltung der Stadt erläutert und bereits auf deren Großartigkeit durch einheitliche Fassadenbauweise hingewiesen. Auch der Gegensatz zu Metz wurde aufgezeigt. Der Rundgang führte von den Stadttoren de Citadelle und de la Craffe vorbei an dem ehemaligen Herzogspalast und der neugotischen Kirche St.-Epvre zur Place de la Carrière mit dem Palais de Gouvernement und zur zentral gelegenen Place Stanislas mit ihren umgebenden Repräsentativbauten und den seitlichen Blickachsen zur Porte de Ste.-Cathérine bzw. Porte de Stanislas.


Nancy, Porte de la Craffe. Ein von zwei Rundtürmen flankiertes doppeltes Stadttor von 1360. In der Mitte das Lothringer Kreuz (Foto: W.-F. Bär)

Dieser Platz, ehemals Place Royale genannt, der die Alt- und die Neustadt verbindet, wurde im Auftrag des abgesetzten polnischen Königs und Herzogs von Lothringen von seinem Baumeister Emanuel Héré Mitte des 18. Jahrhunderts entworfen und gilt ob seiner Schönheit und Eleganz zu den bedeutendsten dieser Art in Frankreich.


Exkursionsgruppe an der Place Stanislas in Nancy beim geführten Stadtrundgang. Prof. Dr. Eberle gibt Erläuterungen am Denkmal des Herzogs (Foto: W.-F. Bär)

An den Platzecken lassen sich prachtvolle vergoldete Gitter von J. Lamour und Brunnen von B. Guibal bewundern. Der ebenfalls von E. Héré zwischen beiden Plätzen erstellte Triumphbogen wurde dem französischen König Ludwig XV. gewidmet. Nach der Mittagspause wurde auf dem Weg von Nancy ins Salzland in St.-Nicolas-du-Port ein Halt eingelegt, um die spätgotische, im Flamboyant-Stil errichtete Wallfahrtskirche des Mittelalters zu besichtigen. Auf Nebenstraßen, den Rhein-Marne-Kanal folgend und ihn gelegentlich kreuzend, gelangte man zur ehemaligen Werkssiedlung bzw. zum Standort einer der größten Schuhfabriken Europas, La Chaussure Bataville. Hier wurde von einem langjährigen Mitarbeiter des 2001 geschlossenen Bata-Werkes die Entwicklung des Unternehmens erläutert und einige Räumlichkeiten vorgestellt. Der Rückweg nach Metz führte zunächst zum Étang de Lindre, ein 620 ha großer, südöstlich von Dieuze auf Mergeln des Keupers angelegter Weiher, der zum Regionalen Naturpark Lothringen gehört und besonders durch die Vielfalt seiner Vogelarten und seiner Fischzucht bekannt ist; auch der Weißstorch konnte hier wieder angesiedelt werden.


Am Étang de Lindre. Kunstvolle Darstellung eines fliegenden Storches; im Hintergrund die Wasserfläche des Weihers (Foto: A. Illert)

Den letzten Punkt der Tagesfahrt bildete ein Besuch des Salzmuseums in Marsal, das im Stadttor Porte de France der von Vauban angelegten Festung untergebracht ist und an zahlreichen Objekten über Verfahren, Lage und Produkte der Salzgewinnung informiert. Den Abschlussabend verbrachte man bei einem gemeinsamen Essen im Hotel.


Marsal, Stadttor Porte de France, in dem das Salzmuseum beherbergt ist
(Foto: R. Schember)

Der letzte Exkursionstag führte in das ländliche Westlothringen an die unweit der Maas gelegene Malmstufe. Nebst geomorphologischen, siedlungs- und agrargeographischen Fragen standen an diesem Tag vorrangig die Besichtigung von Schlachtfeldern und der Besuch verschiedener Gedenkstätten der vergangenen Kriege an. Als erster Standort dieses Tages wurde jedoch der unweit von Metz durch Jouy-aux-Arches an der Mosel verlaufende römische Aquädukt Pont de Diable in Augenschein genommen.


Jouy-aux-Arches. Quer über die Hauptstraße des Ortes verläuft ein noch existierender Teil des römischen Aquädukts, das die Stadt Metz (Divodurum) mit Wasser versorgte (Foto: W.-F. Bär)

Vorbei an Pont-à-Mousson mit ehemaliger Prämonstratenserabtei am Moselufer und der Dogger-Landterrasse folgend wurde Flirey, eine im 1. Weltkrieg komplett zerstörte Gemeinde, erreicht, wo nebst Kirchenruine mit Gräbern die Markierung der ehemaligen Siedlungsflächen beobachtet werden konnte. Im Anschluss fuhr man auf die 377 m hohe Butte de Montsec, einem Zeugenberg der genannten Jura-Stufe, auf dem eine eindrucksvolle amerikanische Gedenkstätte mit Bronzerelief an die September-Offensive 1918 erinnert.


Auf der Anhöhe des Zeugenberges Montsec. Reisegruppe vor der amerikanischen Gedenkstätte (Foto: W.-F. Bär)

Leider hat die trübe Witterung eine klare Sicht in die weite Woëvre-Ebene nicht zugelassen. Zwischen Wein- und Obstanbauflächen und entlang der Schichtstufe wurde auf dem Weg nach Verdun die N3 erreicht, an der bei Hautecourt am deutschen Soldatenfriedhof mit 7885 Gefallenen des 1. Weltkrieges ein Halt vorgenommen wurde. Im Anschluss durchfuhr man das nordöstlich von Verdun gelegene, ehemals stark umkämpfte Kriegsgebiet, dessen Oberfläche durch massives Artilleriefeuer in eine Trichterlandschaft verwandelt erscheint. Mehrere Dörfer der Umgegend, wie beispielsweise Fleury, wurden im Zuge der Kampfhandlungen dem Erdboden gleichgemacht. In der Folge wurde auf der nahe gelegenen Anhöhe unweit des Forts Douaumont das gewaltige Beinhaus der Gedenkstätte des 1. Weltkrieges besucht, auf dessen Vorfeld alleine 16.000 Soldaten ihre letzte Ruhe gefunden haben. Zum Abschluss des Tagesprogramms wurde das etwa 1,5 km entfernte, offen gelassene Gelände der Ouvrage des Fort de Froideterre besichtigt, ein zum Festungsgürtel von Verdun in Reichweite der detachierten Forts errichtetes Zwischenwerk.


Das nordöstlich von Verdun gelegene, 1932 fertig gestellte Beinhaus der Gedenkstätte von Douaumont, die den Tausenden von Opfern beider Lager des 1. Weltkrieges gewidmet ist (Foto: W. Mehlitz)

Gelände am Zwischenwerk Froideterre, das durch den starken Artelleriefeuereinschlag trichterförmig verändert wurde (Foto: W. Mehlitz)

Zurück über Verdun wurde auf direktem Wege die Goldene Bremm erreicht, wo sich das Ehepaar Eberle von der Reisegruppe verabschiedete. In Frankfurt am Main traf man kurz nach 20:00 Uhr ein.

Werner-Francisco Bär, Oberursel (Ts)

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