Exkursion 1999

Mecklenburg-Vorpommern

Traditionsgemäß begann der Landesverein Hessen sein Veranstaltungsprogramm für das Winterhalbjahr 1999/2000 mit einer fünftägigen Fachexkursion nach Mecklenburg-Vorpommern. Auf dem Programm standen die Fachbesichtigungen beim Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie (BSH) in Rostock und beim Landesvermessungsamt Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin sowie eine eintägige Fahrt unter geographischen Aspekten im Bereich des Nördlichen Landrückens.


Titelblatt des Exkursionsführers (Zeichnung Dr. Bär)

Am Mittwoch, dem 6. Oktober 1999 gegen 7:00 Uhr, starteten 44 Teilnehmer mit dem Bus in Richtung Norden. Zu Beginn der Reise erhielten sie einen Exkursionsführer mit Informationen über die glazial geformte Landschaft Norddeutschlands sowie Stadtplanauszügen über die zu besuchenden Städte. Die Mittagspause wurde mit einem längeren Halt in Hildesheim gekoppelt, um den Reisenden auch die Möglichkeit zur Besichtigung kultureller Denkmäler zu geben.


Die seit 1985 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende ottonische St. Michaelis-Kirche in Hildesheim (Foto: W.-F. Bär)

Am späten Nachmittag traf die Reisegruppe in Schwerin ein, hier gesellten sich zwei Mitglieder des LV Thüringen hinzu.

Am nächsten Morgen erfolgte die Fahrt nach Rostock. Zwischen Güstrow und Rostock war es der Gruppe gegönnt, bei guter Witterung und klarer Sicht das jungglazial überprägte Moränengebiet mit dem charakteristischen Auf und Ab ihres Reliefs und ihrer Seenvielfalt in Augenschein zu nehmen, ein Gebiet, dessen Formenschatz und Genese, wie bereits am Vortag, im Altmoränenland von Dr. Bär erläutert wurde.


Ausschnitt der Karte „Die nordischen Vereisungen in Mitteleuropa“ in 1:1 Mio. von Prof. Dr. H. Liedtke (1969)

Nach knapp zwei Stunden Fahrt war das Ziel, Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie, erreicht.

Nach seiner Begrüßung erläuterte Herr Koch, der Beauftragte des Präsidenten im BSH, in einer Einführung die Organisation und die wichtigsten Aufgaben dieses Bundesamtes in Rostock und in Hamburg. Zu den Aufgaben in den drei Fachabteilungen Meereskunde, Nautische Hydrographie und Schiffahrt zählen u. a. die Schiffsvermessung, die Seevermessung, die Wracksuche, nautische Veröffentlichungen, amtliche Seekarten, Seekarten für die Sportschiffahrt, Forschungsprogramme zur Meereskunde, Laboruntersuchungen und der Eisdienst. Eine Herausforderung, und nicht ganz einfach zu bewältigen, ist gewiß die bis zum Jahr 2002 abzuschließende Integration der rund 150 Mitarbeiter der Außenstelle Hamburg in die Zentrale nach Rostock. Bis dahin soll dann auch der Bau eines neuen Amtsgebäudes mit direktem Anschluß an den Rostocker Hafen auf dem Gelände der ehemaligen Neptunwerft und der Umzug aller Mitarbeiter abgeschlossen sein. Die anschließende Fachinformation und Führung in zwei Teilgruppen widmete sich zum einen der elektronischen Verarbeitung von Seevermessungsdaten unter der Leitung von Herrn Kriche und zum anderen der nautischen Kartographie unter der Leitung des mittlerweile pensionierten Chefkartographen, Herrn Pohlenz. Die sehr sachkundig vorgestellte Information fand in beiden Teilbereichen großes Interesse und führte zu zahlreichen ergänzenden Fragen und fruchtbaren Diskussionen. Neu war für viele Teilnehmer, daß die Lagevermessung der Tiefenprofile mittlerweile weitgehend mit dem sehr genau arbeitenden differentiellen GPS-Verfahren erfolgt und die Ergebnisse (Tiefenzahlen) in sog. Arbeitskarten 1:5000 dargestellt werden. Die Arbeitskarten liefern die geometrische Grundlage für die im Dezernat Nautische Kartographie inhaltlich und graphisch zu erarbeitenden amtlichen Seekarten. Maßgebend für die Schiffahrt sind bislang nach wie vor die gedruckten amtlichen Seekarten in Verbindung mit den wöchentlichen Änderungsmitteilungen. In der Kartographie werden mittlerweile bei Seekartenneuherstellungen digitale Arbeitsverfahren eingesetzt. Dies ist die notwendige Grundlage für den Aufbau der elektronischen Seekarte im System ECDIS, das die Besucher in einer interessanten Präsentationsversion kennenlernen konnten. ECDIS ist ein elektronisches Navigations-Informationssystem für die Schiffahrt. Auf einem Schiff können dann auf einem einzigen Bildschirm die elektronische Seekarte, Teile der Seehandbücher, Radar, Kurslinie, eigener Schiffsstandort und Navigationsdaten angezeigt werden.

Zeitgleich zum Besuch des BSH war als Rahmenprogramm ein zweistündiger, sachkundig geführter Rundgang durch die Innenstadt von Rostock einschließlich Besichtigung der Marienkirche organisiert. Nach der Mittagspause setzte die Gruppe gemeinsam ihre Fahrt nach Warnemünde fort, wo nebst einer Hafenrundfahrt, die einen guten Überblick über die ausgebauten und modernisierten Hafenanlagen vermittelte, noch genügend Zeit blieb, um zu Fuß auf eigene Faust den Ostseeort näher kennenzulernen. Die Rückfahrt nach Schwerin führte über Bad Doberan und Wismar.


Exkursionsteilnehmer bei der Hafenrundfahrt Warnemünde-Breitling
(Foto: W.- F. Bär)

Am folgenden Tag wurde das Fachprogramm beim Landesvermessungsamt Mecklenburg-Vorpommern fortgesetzt. Dort wurden die Besucher von Frau Rick, der Sektionsleiterin der DGfK von Mecklenburg-Vorpommern, herzlich begrüßt und willkommen geheißen. Anschließend gab Herr Schaffer, der Leiter der Abteilung Topographische Landeskartographie und Reproduktion, einen Überblick über die Organisation und die Aufgaben des Landesvermessungsamtes mit seinen rund 240 Mitarbeitern. Anschaulich und kompetent vertieft wurde die Information dann in den zwei Bereichen Topographische Landesaufnahme unter der Leitung von Herrn Grabbert und Topographische Kartographie unter der Leitung von Frau Liedtke in zwei Teilgruppen.


Während des Besuchs des Landesvermessungsamtes Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin (Foto: W.-F. Bär)

Höchst interessant waren die Erläuterungen von Herrn Grabbert und weiteren Mitarbeitern zur topographischen Aufnahme und Aktualisierung der Top. Karte 1:10000 sowie zur Realisierung der 2. Ausbaustufe des ATKIS-Basis-DLM auf der Grundlage der TK10-Laufendhaltungsoriginale und weiterer Unterlagen. Die bisherige manuelle Laufendhaltung der TK10 auf der Basis von Luftbildentzerrungen 1:10000, topographischem Meldedienst und topographischer Felderkundung wird in Kürze auslaufen und durch die Aktualisierung im Rahmen des ATKIS-DLM ersetzt. Im Aufbau befindet sich auch eine Landesbildstelle, in der alle Luftbilder der topographischen Auswertung gesammelt werden. Die zweite Vertiefung galt der "noch" analogen kartographischen Bearbeitung der TK10, die im Jahr 2000 durch die dann beginnende Ableitung einer neuen DTK10 aus dem ATKIS-Basis-DLM ersetzt werden soll. Zur Zeit liegt der Aktualisierungsturnus der TK10 bei sieben Jahren, bei den übrigen Landeskartenwerken TK25, TK50 und TK100 bei fünf Jahren. Die Top. Karte 1:25000 wird bereits seit einiger Zeit unter Einsatz des Rascon Systems in hybrider DV-Technik kartographisch aktualisiert. Dazu sind die kartographischen Originalfolien mit 320 L/cm gescannt worden. Für die Top. Karte 1:50000 soll das Verfahren in Kürze ebenfalls eingesetzt werden. In einer abschließenden Gesprächsrunde gab es ausreichend Gelegenheit für weitere Fragen und Diskussionen. Herr Schaffer wies darauf hin, daß das Landesvermessungsamt Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2000 bedeutsame organisatorische Korrekturen vornehmen wolle, so die Zusammenlegung der Bereiche Topographie und Kartographie sowie die Angliederung des Bereichs Reproduktion an den Bereich Geodatenservice. Er machte ferner aufmerksam auf das wichtigste Projekt, das ab dem Jahr 2000 mit Hilfe der Software SICAD-open realisiert werden soll: die Ableitung der neuen DTK10 aus dem ATKIS-Basis-DLM der 2. Entwicklungsstufe sowie ergänzenden Zusatzinformationen wie Gebäuden und Straßennamen. Beides sind Herausforderungen, die viel Kreativität, vollstes Engagement und höchstes Können erfordern.

Parallel zum Besuch des LVA wurde als Rahmenprogramm eine geführte Besichtigung des Schweriner Schlosses sowie im Anschluß eine Begehung der angrenzenden Anlagen angeboten, die vorrangig von den Begleitpersonen wahrgenommen wurde.


Frontansicht des Schlosses Schwerin mit Brücke zur Schlossinsel; ehemals Sitz der Herzöge und Großherzöge von Mecklenburg, heutzutage des Landtags
(Foto: W.-F. Bär)

Für den Nachmittag war eine sachkundig geführte Stadtrundfahrt mit eigenem Bus und einem anschließenden Stadtrundgang organisiert. Sowohl die Stadtrundfahrt, die vorrangig in die Randbereiche Schwerins führte, als auch der Rundgang durch die Fußgängerbereiche zeigten aus historischer und geographischer Sicht deutlich die Entwicklung der Stadt in den Jahrzehnten vor der Wende und die Veränderungen in den 90er Jahren.

Den Abend verbrachte die Gruppe gemeinsam mit den Kollegen der Sektion Schwerin, deren Mitglieder auf Bitten von Dr. Bär von Frau H. Rick zur Teilnahme gebeten wurden. Das in harmonischer Atmosphäre verlaufene Treffen beider Regionalgruppierungen kann als außerordentlich gelungen bezeichnet werden, eine Veranstaltung, die in ihrer Art zur Nachahmung empfohlen wird und zu der wir, "die Hessen", Frau Rick für ihre Mitwirkung auch an dieser Stelle bestens danken möchten.

Der 9.10.1999, Samstag, war der eintägigen Fahrt durch die Mecklenburgische Seenplatte als ein Teilbereich des Nördlichen Landrückens vorbehalten. Dieser unter länderkundlichen Aspekten durchgeführte Exkursionsteil wurde von Dr. Lutz Zaumseil vom Geographischen Institut der Humboldt-Universität Berlin geleitet und stand unter dem Generalthema "Die Glaziallandschaft Mecklenburgs". Die Fahrt führte zunächst in die südwestlichen Randbereiche Schwerins. Von hier aus, dem Grundmoränengebiet zwischen der Frankfurter und der Pommerschen Eisrandlage, konnte ein Großteil der in die Umrahmung eingebetteten weiten Fläche des Schweriner Zungenbeckensees eingesehen und dessen Genese anhand einer mehrfarbigen geologischen Karte aus dem vorab von Dr. Zaumseil verteilten Exkursionsführer erläutert werden. Den südlichen Abschluß des Sees, etwa im Bereich des Wohngebiets Großer Dreesch, bildet die Frankfurter Endmoräne, die bei Mueß die Durchbruchspforte einer zum Elbe-Urstromtal führenden jüngeren Schmelzwassersandrinne des Pommerschen Stadiums aufweist. Im Stadtteil Mueß wurde zusätzlich ein kurzer Einblick in das seit 1970 existierende agrarhistorische Freilicht-Museumsdorf gewährt. Im Anschluß daran wurde die Landschaft der Lewitz durchfahren, eine ca. 120 km² große, auf dem Sander der pommerschen Eisrandlage gelegene Niedermoorfläche, die im 18/19. Jh., wie es u. a. der Störkanal und der Friedrich-Franz-Kanal der Müritz-Elde-Wasserstraße zeigen, kanalisiert und kultiviert wurde. Nach einem Abstecher zur 1780 errichteten Jagdschloßanlage Friedrichsmoor erfolgte ein erster Halt in der Kleinstadt Ludwigslust, die zeitweilige Residenz mecklenburger Herzöge, deren baugeschichtliches Kleinod das 1724 begonnene Schloß ist. Ein kurzer Rundgang vermittelte einen Einblick in die Stadtanlage mit ihren barocken und klassizistischen Bauelementen.


Dr. Lutz Zaumseil erläutert am Stadtplan Aufbau und Entwicklung von Ludwigslust (Foto: W.-F. Bär)

Über Grabow und vorbei an den Ruhner Bergen, ein saaleeiszeitlicher Stauchmoränenkomplex, führte die Strecke nach Parchim an der Elde. Unmittelbar östlich davon wurde die südlichste Randlage des Weichseleises, das Brandenburger Stadium, gequert und damit das Altmoränengebiet verlassen. Noch vor Lübz wurde wieder die Endmoräne der Frankfurter Staffel überschritten. Mit dem Ort Plau hatte man das Großseengebiet erreicht, ein unverbautes und mit Naturwald bestandenes Gebiet, das sog. Tafelsilber Mecklenburgs. Auf der Landzunge zwischen dem Müritz- und dem Kölpingsee wurde bei Schloß Klink ein Halt eingelegt. Themen waren hier die Seenlandschaft mit ihrer Flora und Fauna sowie die Entwicklung des Fremdenverkehrs. Die Mittagspause erfolgte danach in Waren. Ein anschließender Rundgang durch die am Müritzsee gelegene Stadt ließ die eingetretenen baulichen Veränderungen seit der Wende deutlich erkennen. Über die weitgespannten Sanderflächen am Nordrand der Nössentiner und Schwinzer Heide und der folgenden kuppigen Moränenlandschaft der pommerschen Eisrandlagen führte die Rückfahrt dann nach Güstrow. In einem längeren Rundgang erläuterte Dr. Zaumseil Geschichte und Aufbau der zeitweiligen Residenzstadt Mecklenburgischer Herzöge. Besichtigt wurde dabei der Dom mit dem bekannten "Schwebenden Engel" von E. Barlach.

Der in norddeutscher Backsteingotik erbaute Dom von Güstrow. Er beherbergt den Schwebenden Engel von Ernst Barlach (Foto: W.-F. Bär)

Den Abschluß bildete ein Blick auf das Schloß mit seinen im alten Stil wiedererrichteten Gartenanlagen. Über Sternberg zurück, war man gegen 18:45 Uhr erneut in Schwerin.

Bereits am Sonntagvormittag wurde die Heimreise angetreten. Ähnlich der Hinfahrt wurde die Mittagspause mit einem längeren Halt verbunden. In Celle war es den Reiseteilnehmern gegönnt, diese Stadt mit der Vielfalt ihrer prächtigen Fachwerkhäuser und ihrer Schloßanlage zu erkunden.

Celle. Eine der zahlreichen Häuserzeilen in Fachwerkbauweise (Foto: W.-F. Bär)

Frankfurt am Main wurde gegen 19:30 Uhr erreicht.

Werner-Francisco Bär, Oberursel (Ts)

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© Sektion Hessen der Deutschen Gesellschaft für Kartographie