Exkursion 2008

Nordöstliches Harzvorland

Die Exkursion 2008 der DGfK-Sektion Hessen vom 19. bis 22. Juni führte die teilnehmenden Mitglieder und Gäste nach Sachsen-Anhalt mit Schwerpunkt auf den Nordharzrand.

Bei gutem Wetter startete die Reise in Frankfurt am Main und erreichte zur Mittagszeit Northeim, eine westlich des Harzes gelegene Stadt, die schon vor 800 erstmals urkundlich Erwähnung fand und zum Ende des Mittelalters hin sogar zur Hanse gehörte. Während eines längeren Aufenthalts hatten die Teilnehmer Gelegenheit, die mit schönen Fachwerkhäusern ausgestattete Ortschaft zu erkunden. Nach der Weiterfahrt entlang des Harznordrandes wurde in Wernigerode ein 2. größerer Halt eingelegt, der von den Reisenden für einen Rundgang durch die schon zu DDR-Zeiten restaurierte Fachwerkstadt genutzt wurde.


Das Rathaus in Wernigerode, ein spätgotischer Fachwerkbau aus dem 15. Jh., während des Altstadtrundgangs (Foto: W. Mehlitz)

Am späten Nachmittag erreichte die Reisegruppe Quedlinburg und bezog die Unterkunft für das verlängerte Wochenende, bezeichnenderweise im freundlichen und zentral gelegenen Hotel „Zum Bär“. Unser Ehrenvorsitzender, Dr. W.-F. Bär, und seine Frau hatten folglich „freie Zimmerwahl“.


Exkursionsteilnehmer vor dem Hotel „Zum Bär“ in Quedlinburg (Foto: R. Jahn)

Gruppenweise erkundeten die Teilnehmer am Abend schon mal diese über 1000 Jahre alte Stadt, die wegen ihres geschlossenen mittelalterlichen Stadtgrundrisses und seiner unzähligen Fachwerkhäuser aus 6 Jahrhunderten, seit 1994 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.

Am nächsten Morgen fuhren wir zeitig ab, damit um 10 Uhr eine Führung durch das Landesamt für Vermessung und Geoinformatik Sachsen-Anhalt in Magdeburg erfolgen konnte. Auf dem Weg konnten wir schon einen Eindruck von dieser landwirtschaftlich hochwertigen Gegend, der Magdeburger Börde, gewinnen, die neben der Hildesheimer Börde die höchste Bodenwertzahl Deutschlands erreicht.

Am Landesamt wurde die Gruppe von den Mitarbeitern bereits erwartet und sehr freundlich empfangen. Beim Versuch per Aufzug die höher gelegenen Sitzungs- und Arbeitsräume zu erreichen, wurde ein alles übertönender technischer Alarm ausgelöst! Man versicherte jedoch, dies hätte nicht an den Besuchern gelegen, sondern es seien noch kleine Tücken im Betrieb des recht frisch bezogenen Neubaus vorhanden.

In vier Kurzbeiträgen gaben die Gastgeber einen Überblick über Organisation, Aufgabenstellung und die zeitgemäße Aufgabenlösung durch die Belegschaft des Hauses, das ein amtliches integriertes Geobasisinformationssystem einschließlich des bürgernahen Centers bereitstellt. Stellvertretend für alle Beteiligten des Amtes sei Frau Schulz der Dank für die freundliche Aufnahme, den zahlreichen Erläuterungen und für die gute Organisation des Besuches ausgesprochen.

Als Rahmenprogramm wurde eine Führung durch das Kunsthistorische Museum im Kloster „Unser Lieben Frauen“ unter Leitung von Dr. Förster durchgeführt.


Zum Rahmenprogramm gehörte die Besichtigung des Kunsthistorischen Museums im Kloster "Unser Lieben Frauen" in Magdeburg (Foto: R. Schember)

Die, ob so viel „Input“, wohlverdiente Mittagspause wurde bei schönem Wetter individuell genutzt, auch um sich die im Stadtbild widerspiegelnde bewegte historische Vergangenheit Magdeburgs anzuschauen. Zentren des Interesses waren der Dom, einer der größten Kirchenbauten Deutschlands und das Hundertwasserhaus, die „Grüne Zitadelle“, ein buntes und fantasievolles Baukunstwerk, das als Wohn- und Geschäftshaus die Architektur der Stadt bereichert.


Der eindrucksvolle Hundertwasser-Baukomplex „Grüne Zitadelle“ in Magdeburg
(Foto: S. Wetzel)

Nach der Rückfahrt nach Quedlinburg ging es direkt auf den Schlossberg hinauf zur Führung durch die über 1000-jährige romanische Stiftskirche St. Servatius. Auch der Domschatz, der seit 1993 wieder hier aufbewahrt wird, wurde dabei vorgestellt. Von der Schlossbergterrasse und dem dort gelegenen Café aus, in dem eine Pause eingelegt wurde, genoss man einen weiten Blick über die Dächer der Altstadt Quedlinburgs.


Quedlinburg, Nordseite des Schlossbergs (Foto: W. Mehlitz)

Bei der anschließenden Stadtführung, die in zwei Gruppen stattfand, war Interessantes über die Geschichte und die geschichtliche Bedeutung der Stadt zu erfahren. Sowohl einzelne Fachwerkbauten als auch ganze Straßenzüge und Altstadtviertel boten reichliches Anschauungsmaterial für die Ausführungen der Stadtführerinnen.

Jenseits der Merkmale, die Quedlinburg für die Auszeichnung als UNESCO-Weltkulturerbe qualifizieren, sei erwähnt, dass in dieser Stadt sowohl Carl Ritter, der Begründer der wissenschaftlichen Geographie, als auch der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock geboren wurden; im so genannten Klopstockhaus am Schlossberg ist heute eines der städtischen Museen untergebracht.


Eine der beiden Gruppen während der Stadtführung auf dem von Fachwerken umrahmten Marktplatz in Quedlinburg (Foto: R. Jahn)

Am Abend fand im Hotel ein gemeinsames Essen aller Exkursionsteilnehmer statt. Bereits angereist war Prof. Dr. M. Frühauf von der Universität Halle (Saale), der als Geograph die Gruppe tags darauf führte.

Auf dieser Tagesfahrt wurden mehrere Standorte am Harzrand und im nordöstlichen Harzvorland einschließlich der Mansfelder Seenplatte angesteuert und Fragen zur Geologie, Geomorphologie und Geoökologie behandelt.


Prof. Dr. Frühauf erläutert anhand von Profilen und Blockdiagrammen die geologisch-geomorphologische Situation am Nordostrand des Harzes (Foto: A. Illert)

Zuerst begab sich die Gruppe auf einen steilen Anstieg, um die eindrucksvolle Teufelsmauer zu besichtigen.

Diese markant aus der Landschaft herausragende, wenige Meter schmale Schichtrippe aus keuperzeitlichem Sandstein in der Nordharzaufrichtungszone ist bei der Heraushebung des Harzes im Laufe seiner Gebirgsbildung entstanden und nachträglich freigestellt worden.


Eindruckvoll ragt die schmale Schichtrippe der Teufelsmauer aus ihrer Umgebung heraus. W. Mehlitz und K. Wilson bestaunen den Höhenunterschied (Foto: A. Illert)

Wie in der „klassischen Quadratmeile der Geologie“ (Goethe) bei Goslar, sind auch hier in den 3 km zwischen Teufelsmauer und Harz, 200 Mio. Jahre geologischer Entwicklung zu entdecken. Prof. Frühauf erläuterte anschaulich, auch anhand von Kartenmaterial und Schemata, die Genese des Raumes, seine Besonderheiten und die heutige hydrologische Bedeutung des Harzes für die Region.

Hydrologische Aspekte wurden auch besonders an der „Rosstrappe“ angesprochen, eine hoch über dem untersten und tiefsten Teil des Bodetals gelegene Granitklippe. Die Bode neigte dank ihrer hohen kinetischen Energie ehemals dazu, die flussab liegenden Ortschaften öfters zu überschwemmen. Als Hochwasserschutz und für die Trinkwassergewinnung wurden im letzten Jahrhundert an der Bode und ihren Zuflüssen mehrere Talsperren gebaut.


Blick von der Rosstrappe in die tief eingeschnittene Felsschlucht des Bodetals am Nordostrand des Harzes. Im Hintergrund auf der Höhe gegenüber der Hexentanzplatz (Foto: W. Mehlitz)

Die Genese des Harzgebirges führte zu reichlicher Erzbildung. Der Abbau dieser Erze seit mehreren tausend Jahren hat den Reichtum der ganzen Harzregion begründet. Inzwischen sind die abbauwürdigen Lager weitestgehend erschöpft, doch konnten wir im Mansfelder Land Überbleibsel des noch zu DDR-Zeiten betriebenen Kupferschieferabbaus ausmachen. Ganze Generationen von Abraumhalden ab mittelalterlicher Zeit sind hier landschaftsprägend und zum Teil sogar in mittelmaßstäbigen topographischen Karten erfasst. Seit der Wende wurde der ökologischen Problematik dieses Abbaus bedeutend mehr Gewicht eingeräumt und der Abbau eingestellt, da die Schwermetallbelastungen bei Mensch und Tier, für Boden und Grundwasser nicht mehr zu verantworten sind. Prof. Frühauf ging hierbei auch auf die Frage der heutigen Probleme sachsenanhaltinischer und weiterer ostdeutscher Kommunen durch wirtschaftlichen Niedergang, Arbeitslosigkeit, Bevölkerungsrückgang und die Notwendigkeit städtebaulicher Umstellung ein.

Zur Mittagszeit überforderte der „Ansturm“ einer hungrigen Busladung Geotouristen den Marktplatz der Lutherstadt Eisleben (Luther-Häuser auch UNESCO-Weltkulturerbe), so dass erst mit einer kleinen Verzögerung die Weiterfahrt zur Mansfelder Seenlandschaft gelang.

Am Rande des durch Verkarstungsprozesse der Zechsteingesteine fast trocken liegenden Salzigen Sees erläuterte Prof. Frühauf die außerordentlich komplizierten Besonderheiten dieser Landschaft. Nutzungskonflikte kennzeichnen die Entwicklung und Veränderungen der Seen und ihrer Umgebung, die mit niedrigen Niederschlagsmengen von weiterer Absenkung bedroht ist. Andererseits stellt die Gegend, vor allem im Bereich des Süßen Sees, das nach Werder bei Potsdam zweitgrößte Obstanbaugebiet in Ostdeutschland dar, und sogar der Weinbau scheint eine Perspektive zu haben.


Blick über den Bindersee nach Seeburg und zum Süßen See vom erhöhten Standort in den Weinbergen bei Rollsdorf aus (Foto: W. Mehlitz)

Eine positive Entwicklung zeigt die Romonta GmbH, die vor Ort abgebaute wachsreiche Braunkohle seit über 100 Jahren zuerst nur energetisch, später für Sprengstoff und heutzutage für die Herstellung hochwertiger Cremes verarbeitet und 400 Arbeitsplätze stellt.

Nach kurzer Fahrt nach Halle verabschiedete sich die Reisegruppe von Prof. Frühauf, nachdem Dr. Bär ihn den Dank der Teilnehmer für seine anschaulichen Ausführungen zu den verschiedenen Themenkomplexen ausgesprochen hatte. Vor der Rückfahrt nach Quedlinburg erzwangen die warme Witterung und der Blick auf das am Süßen See schön gelegene Seeburg mit dem herausragenden Schloss eine Pause zum Eisessen.

Am Sonntag verließ man das gastliche Hotel „Zum Bär“ und die historische Stadt Quedlinburg und fuhr nach Wernigerode, um von dort die romantische Harzer Schmalspurbahn zu besteigen und gemütlich zum Brocken hinauf zu dampfen.


Gruppenbild der Exkursionsteilnehmer am Kopfbahnhof der Harzer Schmalspurbahn in Wernigerode (Foto: W. Mehlitz)

Hier war es nach dem Aufstieg von ca. 1000 m bedeutend kühler. Beim Rundgang auf dem Plateau konnte man die Wetterstation und einen kleinen alpinen botanischen Garten besichtigen. Die erfreulicherweise gute Sicht ermöglichte einen weiten Blick ins Vorland; auch Hexentanzplatz und Teufelskanzel ließen sich einwandfrei ausmachen.

Mit der Schmalspurbahn rollten wir dann wieder bergab und vorbei an borkenkäfergeschädigten Waldbeständen bis nach „Drei Annen Hohne“, wo Herr Löw, ein zuverlässiger und exzellenter Busfahrer, den Bus für die Gruppe bereithielt.

Auf der Rückfahrt nach Frankfurt wurde noch eine Kaffeepause in Melsungen eingelegt, eine mit schönen Fachwerkbauten ausgestattete nordhessische Stadt an der Fulda. Bei der Ankunft bot die Stadt das Bild einer kleinen Verwüstung, die, wie von Anwohnern berichtet wurde, unmittelbar davor von einem ordentlichen Gewitter heimgesucht worden war. Jede Menge Schlamm und Laub, teilweise durchsetzt mit geborstenen Dachpfannen, wurden noch weggekehrt. Dem vom Wind umgestürzten Baum vor dem historischen Rathaus war so leicht nicht beizukommen.

Auf der Weiterfahrt holten wir die Wetterfront ein und erreichten gegen 20 Uhr voll mit neuen Eindrücken und Einsichten ein feuchtes Frankfurt am Main

Karl Wilson, Frankfurt am Main

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© Sektion Hessen der Deutschen Gesellschaft für Kartographie