Bremen und westliches Marschland
Vom 18. bis 21. Juni 2015 führte die Sektion Hessen der DGfK ihre 43. Exkursion durch, dieses Mal nach Bremen und zum Marsch- und Moorniederungsland westlich der Weser. Die Fahrt erfolgte ab Frankfurter Hauptbahnhof mit einem Bus der Firma Ramsauer. Fahrer war Walter Löw, der bereits von vielen früheren Reisen bekannt und beliebt war.
Zu Reisebeginn erhielten die Teilnehmer einen umfangreichen Exkursionsführer, der vorrangig physisch-geographische und thematische Karten sowie Blockdiagramme und Stadtpläne enthielt. Die Strecke führte zunächst entlang der Wetterau, über die Sauerlandlinie sowie dem Ruhrgebiet nach Münster in Westfalen. Im Bus gab es zwischenzeitlich Erläuterungen zur Entstehung sowie zum geologischen wie geomorphologischen Aufbau des Rheinischen Schiefergebirges, insbesondere des Westerwaldes und Sauerlandes. Nach Durchquerung des Ruhrgebiets wurde das in der Westfälischen Bucht gelegene Münster erreicht. Hier wurde eine längere Mittagspause eingelegt, um vorrangig die kunsthistorischen Kleinode der ehemaligen Hansestadt zu besichtigen, zu denen allemal der Dom und das Rathaus mit dem Friedenssaal zu zählen sind.Ohne weitere Zwischenhalte gelangte die Reisegruppe zeitig nach Bremen, wo im zentral gelegenen Überseehotel Ramada eingecheckt wurde. Hier in Bremen stießen zwei weitere Exkursionsteilnehmer zu den bisherigen 33 hinzu. Am Abend traf sich die Reisegruppe zum gemeinsamen Abendbuffet im Hotel.
Am nächsten Morgen begrüßte Prof. Dr. Joachim Venske, Physischer Geograph an der Universität Bremen, die Reisegruppe im Hotel und gab eine kurze Einführung zum Ablauf der beiden bevorstehenden Exkursionstage. Der anschließende Stadtrundgang begann an der Schlachte, einer an der Weser gelegenen historischen Uferpromenade, dem ursprünglichen Hafenplatz Bremens, an der sich der Handel und die verschiedenen Gewerbe wie Brauereien und Schiffsbau entwickelten. Der Name Schlachte stammt aus dem niederdeutschen slagte und deutet auf das Einschlagen von Pfählen zur Uferbefestigung hin. Die Weser ist hier bis zu einen Stauwehr oberhalb der Stadt dem Tidenhub ausgesetzt und wurde gegen Ende des 19. Jhs. einer Korrektion unterzogen. Von der Schlachte aus blickt man auf den westlichen Teil des Stadtwehrs, den Teerhof, mit seinen traufständigen backsteinigen Wohn- und Geschäftshäusern.Die erste Siedlung Bremens wurde auf einem parallel zum Fluss langgestreckten Dünenstreifen errichtet. Als Gründungsjahr gilt 785, als Gründer Karl der Große. Dieser Bereich an der Weser steht im deutlichen Gegensatz zum etwas bergan gelegenen zentralen Marktplatz mit seinem prächtigen Gebäudeensemble, zu dem insbesondere das Renaissance-Rathaus und der Schütting, der ehemalige Bau der Bremer Kaufmannschaft, heute Handelskammer, zählen.
Die 1404 auf dem Platz errichtete Rolandsfigur ist das Wahrzeichen Bremens und die höchste freistehende Statue des deutschen Mittelalters; seit 2004 gehört sie mit dem Rathaus zum UNESCO Weltkulturerbe. Zusammen mit den Bremer Stadtmusikanten ist sie für Touristen zweifellos das beliebteste Fotoobjekt. Ein plötzlich einsetzender Platzregen zwang die Gruppe als Nächstes das Innere des eindrucksvollen Doms zu besichtigen.
Danach – der Regen hatte nachgelassen – begab man sich zum Schnoor, ein ehemaliges Kleinhandwerkerviertel, das seine Bezeichnung dem Schiffshandwerk verdankt und zwischen der Balge, einem heute verrohrten, parallel zur Weser fließenden Flüsschen, und der Weser liegt. Am nordwestlichen Rand dieses Quartiers steht die ehemalige Klosterkirche St. Johann, ein aus der Backsteingotik stammender Bau. Das Viertel besteht überwiegend aus kleinen engen Gassen gesäumt von kleinen Häusern, deren älteste aus dem 16. Jh. stammen. Neben kleinen Lädchen mit Kunsthandwerk, Antiquitäten und Lebensmittel gibt es Kneipen, Cafés und Restaurants, ein idealer Platz also, um hier die Gruppe in ihre Mittagspause zu entlassen.
Am Nachmittag ging es mit dem Bus zum Technologie-Park der 1971 gegründeten Campus-Universität Bremen, deren verschiedene Fachbereichsanlagen vom Bus aus betrachtet wurden. Zu sehen war auch der 110 m hohe, einem Bleistift ähnelnder Fallturm, ein Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation, und das walförmige Gebäude der interaktiven Wissenschaftsausstellung, das Science Center des Universums Bremen. Nächstes Ziel war das Teufelsmoor, dessen Erschließung dem Kolonisten Johann Christof Findorff zu verdanken ist, der die Methoden entwickelte, die den Durchbruch schafften. 1781 begann die Besiedlung des Gnarrenburger Moors. Durch Lilienthal und Worpswede hindurch erreichten die Reiseteilnehmer den „Historischen Moorhof Augustendorf“, ein 1989 ins Leben gerufene Museum, dessen Besichtigung kurzfristig ins Programm aufgenommen wurde. Hier wird versucht, ein Kulturdenkmal in natürlicher Lage zu bewahren und den Besuchern das Wohnen und Arbeiten der Moorkolonisten im 19./20. Jh. näher zu bringen. Im Rahmen einer einstündigen Führung stellten die Herren Gieschen und Dammann die Hofanlage vor.
Ein Maschinenschuppen und eine Remise für die Wagen wurden später errichtet. Ziehbrunnen (Sood), Göpel, Bienenstand, Erdkeller und ein Backofen ergänzen das Ensemble. An einem randlichen Torfanschnitt wurden die einzelnen Schichten sowie die Zerstückelung in backsteinförmige Soden erläutert.
Im Bootsschauer, einem aufgeständerten Dach, ist die Nachbildung eines Torfkahns vom Typ „Halbhunt“ untergebracht, ein ca. 10 m langes Plattbodenschiff, das 50 Körbe Torf = 6m³ fasst. Kähne, die entweder getreidelt oder mit Stakrudern geschoben wurden, lieferten über Kanäle und dem Fluss Hamme den Torf nach Bremen. Zum Abschluss wurde ein Gang durch das Teufelsmoor vorgenommen, ein annähernd 500 km² großes dreiecksförmiges Areal, das sich SSW-NNE erstreckt und beidseitig W und E an die Geest grenzt. Im S wird er von einer Sanddüne begrenzt. Auf dem Lehrpfad erläuterte Prof. Venzke die Entstehung und Entwicklung von Hochmooren sowie die sich einstellende Vegetation. Auf Schautafeln ließen sich weitere Informationen zu Moorstadien, Moosformen und Torfbildung wegen fehlender Verwesung der abgestorbenen Moose, die das Moor zum größten CO2-Speicher werden lassen, entnehmen. Kurz vor 19 Uhr endete die Nachmittagstour am Hotel. Der Abend stand zur freien Verfügung, die meisten fanden sich jedoch, mehr oder minder zufällig, im ehemaligen „Flett“ in der historischen Böttcherstraße ein.
Am 3. Exkursionstag ging die Fahrt zum Jadebusen zunächst in Richtung Bremerhaven, um nördlich von Brake die Weser zu unterqueren und das Sehestedter Außendeichmoor aufzusuchen. Das hier vorkommende zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer zählende Überflutungsmoor stellt ein einzigartiges Naturdenkmal dar, welches die Bezeichnung „Schwimmendes Moor“ führt, da es sich mit den Gezeiten hebt und senkt, was eine Reduzierung seiner Größe nach sich zieht.
Auf der nun folgenden Strecke waren der nacheiszeitliche Meeresspiegelanstieg, die Sturmfluten und die Entwicklung des Jadebusens die angesprochenen Themen. Der JadeWeserPort Wilhelmshaven auf der Westseite des Jadebusens war das nächste Ziel. Im InfoCenter wurde eine interaktive Ausstellung besichtigt und zur Einführung ein Film vorgeführt. Nach nahezu 5-jähriger Bauzeit ist der Hafen seit September 2012 als Deutschlands einziger Container-Tiefwasserhafen in Betrieb. Als Baugrund wurden der Jade ca. 46 Mio. m³ Sand entnommen und aufgespült, wodurch eine rund 360 ha große ebene Fläche entstand. Von der Aussichtsterrasse auf dem Dach des InfoCenters ist die gesamte Anlage gut zu überblicken, auffallend waren besonders die hohen Containerbrücken.
Quer durch das Wangerland gelangte die Gruppe zum touristisch erschlossenen Ort Carolinensiel. Besonders eindrucksvoll ist hier der originalgetreu rekonstruierte Hafen, in dem zahlreiche Plattbodenschiffe ankern.
Nach der Mittagspause war die Besichtigung des Deutschen Sielhafen Museums im Gebäude des 1840 erbauten Kornspeichers „Mammens Groot Hus“ angesetzt. In der Ausstellung „Land und See“ werden insbesondere die Geschichte der Siele, der Häfen und Deiche, aber auch der Fischerei, Schifffahrt und des Nordsee-Tourismus vorgestellt. Nach Carolinensiel wurde ein Halt in Ziallerns eingelegt, das am westlichen Rand des Wangerlandes liegt. Es folgte ein Rundgang um das nahezu kreisförmige Wurtdorf, eine der wohl am besten erhaltenen Siedlungen dieses Typs im norddeutschen Küstenland. Da das Grundwasser moorig oder gar brackig ist, befindet sich im Zentrum in erhöhter Position ein Fething, eine Süßwasserstelle, in der ursprünglich das Regenwasser gesammelt wurde. Prof. Venzke nutzte in Ziallerns die Gelegenheit, um an die bisherigen Erkenntnisse über die landschaftliche Entwicklung des NW-deutschen Raumes im Laufe des Pleistozäns und Holozäns anzuknüpfen und anhand von Großblättern der TK 100 sowie der geomorphologischen Karte „Die nordischen Vereisungen in Mitteleuropa“ von H. Liedtke (1:1 Mio.) zu veranschaulichen. Erläutert wurden die verschiedenen Eisrandlagen vorrangig aus der Saale-Eiszeit, die Sandergebiete, die Abflussrinnen sowie die Erscheinungen im Periglazialgebiet; der Unterschied zwischen Marsch und Geest wurde herauskristallisiert. Rückblickend wurde auch die Entstehung des Teufelsmoorgebiets mit einbezogen. In wenigen Kilometern südwestlich wurde Funnix erreicht, ein zu Wittmund gehöriger Ort, in dem sich die Wurt mit der Kirche St. Florian markant von der Umgebung abhebt. Auf der Weiterfahrt zur Küste wurde das spannende Thema der Marschentwicklung und der Eindeichungsgeschichte der ehemaligen Harlebucht zur Sprache gebracht. Ausgehend von einer südlichen Linie Funnix-Berdum-Middoge wurden ab 1545 bis ins 20. Jh. durch Eindeichungen dem Meer in mehreren Phasen Gebiete abgerungen und trockengelegt. Die heute in Carolinensiel noch erkennbaren Deichlinien sind von 1729 und 1765. Erneut über Carolinensiel wurde Neuharlingersiel angesteuert. Eine Kurzbesichtigung des Hafenortes und ein Blick auf das Wattenmeer mit den vorgelagerten Inseln Langeoog, Spiekeroog und Wangerooge beendeten hier das Fachprogramm des Tages.
Über Wittmund, Varel und Oldenburg gelangten die Reisenden zurück nach Bremen. Am Abend gab es ein gemeinsames Abschlussessen im neben dem Hotel gelegenen Restaurant „Friesenhof“.
Nach einem Gruppenfoto am Bremer Roland erfolgte am letzten Tag die Rückreise.Südlich Hannover wurde die Norddeutsche Tiefebene verlassen und gelangte an den Rand des Mittelgebirges bzw. des Harzes. Gegen Mittag wurde wie geplant die Universitäts- und ehemalige Hansestadt Göttingen erreicht. Bei einer längeren Pause war genügend Zeit gegeben, um die Stadt überblicksmäßig zu erkunden. Ein besonderer Anziehungspunkt war das am Marktplatz gelegene Alte Rathaus aus dem 13. Jh. mit seiner prächtigen Eingangshalle sowie der Gänselieselbrunnen.
Darüber hinaus schmücken die doppeltürmige Pfarrkirche St. Johannis, die Jacobikirche, St. Marien sowie zahlreiche gut erhaltene Fachwerkhäuser den Innenstadtbereich. Die 1737 gegründete Georg-August-Universität ist, historisch bedingt, auf mehrere Gebäude der Stadt verteilt. Leider wirkte Göttingen am Sonntagmittag wie ausgestorben, ganz im Gegensatz zur lebendigen Wochentagsatmosphäre, die die Gruppe in Münster erlebt hatte. Viele Restaurationsbetriebe waren geschlossen. Der Ratskeller bot ein angenehmes Ambiente, so dass sich die meisten der Reisegruppe dort wiederfanden. Die anschließende Fahrt führte durch das Hessische Bergland bis zum nächsten Halt in Alsfeld, ein am nordwestlichen Rand des Vogelsbergs gelegenes Städtchen, das sich wegen seines prächtigen Fachwerkensembles auszeichnet.
Die Exkursion endete am Frankfurter Hauptbahnhof, wo die Reisenden gegen 20 Uhr wohlbehalten eintrafen.
Werner-Francisco Bär, Oberursel (Ts)
Helmut Uhrig, Hafenlohr