Nordhessen
Die Fachexkursion 2011 der Sektion Hessen fand vom 24. - 26. Juni statt und führte die Reiseteilnehmer nach Nordhessen. Zur Abfahrtszeit um 8:30 Uhr auf der Südseite des Frankfurter Hauptbahnhofs fanden sich 36 Personen ein. Unterwegs am Parkplatz „Limes“ und in Marburg stiegen sechs weitere dazu, darunter zwei Mitglieder der Sektion Thüringen aus Gotha. Allen Teilnehmern wurde zu Reisebeginn ein umfangreicher Exkursionsführer ausgehändigt, der nebst Programm und Stadtplänen der zu besuchenden Orte fachliche Informationen zu den einzelnen Reisepunkten enthielt. Auf der Anfahrt nach Frankenberg gab Dr. Werner-F. Bär einführende Erläuterungen zum Reiseablauf und stellte den Exkursionsführer vor. Frankenberg, das erste Tagesziel, wurde gegen 10:30 Uhr erreicht. Die sehenswerte Stadt mit Rathaus, Liebfrauenkirche, Steinhaus und einem oberen und unteren Marktplatz konnte jeder nach Gutdünken besichtigen.
Von Frankenberg aus ging es weiter zum Naturpark Zentrum Kellerwald bei Vöhl, Ortsteil Herzhausen. Hier angekommen und bevor die Ausstellung im Innern des Zentrums individuell besichtigt werden konnte, informierte Prof. Dr. Karl-Josef Sabel vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie über die Tektonik, Geologie, Wald- und Bodennutzung sowie insbesondere über die damit zusammen hängende Erosion. Nach der Besichtigung des Zentrums wurde die Fahrt zum Edersee fortgesetzt. Dort wurde bei Waldeck-West eine Kaffeepause eingelegt. Einige nutzten die Gelegenheit zur Diskussion mit Prof. Sabel zum Thema prophylaktische Maßnahmen zum Schutz von Böden und Gewässern. Die Staumauer wurde bei einem starken Regenguss erreicht. Als jedoch die Sonne wieder zum Vorschein kam, trauten sich die meisten aus dem Bus und begingen die Staumauer.
Im Anschluss daran erfolgte die direkte Weiterfahrt nach Korbach zum Hotel „Goldflair“, das sich gegenüber dem Rathaus befindet.
Um 17:00 Uhr startete in Korbach die Stadtführung in zwei Gruppen, die eine unter Leitung von Herrn Kurt Osterhold, die andere unter Stadtrat Heinz Merl. Der Berichterstatter gliederte sich der Gruppe des Herrn Osterhold an und kann daher nur aus dessen Vortrag schöpfen. Der Rundgang startete am Rathaus.
Auf dem Weg zur Stadtmauer gab der Stadtführer einen kurzen Einblick in die Geschichte Korbachs. Um das Jahr 1000 n. Chr. wurde die Siedlung im Gebiet der Kilianskirche zur Stadt erhoben. Es siedelten sich vorwiegend Handwerker und Händler an. Am Schnittpunkt zweier alter Fernhandelswege konnte die Stadt sich gut entwickeln. Sie trat der westfälischen Hanse bei und ist damit die einzige Hansestadt in Hessen. 1377 wurde eine Stadterweiterung notwendig, die „Neue Stadt“, sie erhielt Soester Stadtrecht. Gewerbe und Handel gediehen prächtig, auch profitierte sie von der bis zum Dreißigjährigen Krieg dauernden Goldgewinnung im nahen Eisenberg. In der Neuzeit stiegen die Continental-Gummiwerke zum größten Arbeitgeber der Stadt auf. In letzter Zeit waren sie leider heftigen Turbulenzen ausgesetzt, als ein Schweinfurter Unternehmer sie zu schlucken versuchte. Die Stadtmauer ist zweiteilig, es gibt eine innere und in einigem Abstand davor eine äußere; sie ist auf weiten Strecken erhalten. Einer ihrer Türme, der Tylenturm kann bei Stadtbesichtigungen bestiegen werden. Der etwas mühsame Aufstieg wird durch einen grandiosen Rundblick belohnt: der Kellerwald im Süden, im Westen der 561 m hohe Eisenberg, das erste Ziel des folgenden Tages, und weiter im Uhrzeigersinn das Waldecker Upland und der Lange Wald. Beim weiteren Rundblick schaut man direkt auf ein großes stattliches Gebäude, das Haus der Musik. Es verdankt seine Existenz dem Versuch des Fürsten Waldeck-Rottweil ein neues Schloss zu bauen. Nach der Fertigstellung des Mittelteils wurden die Arbeiten eingestellt. Später entstand dafür das Schloss in Arolsen. Links vom Haus der Musik beginnt die Straße „Ascher“. In ihr trifft man nach dem Roten Turm auf ein Haus, das, wie eine Tafel ausweist, einst ein Diplomat in preußischen Diensten namens Bunsen bewohnte, ein Verwandter des Erfinders des Bunsenbrenners. In diesem Zusammenhang nannte der Stadtführer noch zwei weitere berühmte Bürger des Landes Waldeck: Prof. Kümmell, Arzt, und Prof. August Karl Gustav Bier, der Erfinder der Lumbalanästhesie. Von hier ging es durch das Handwerkerviertel zur Kilianskirche mit dem prachtvollen gotischen Figurenportal. Die Westseite des Kirchplatzes wird durch eine Reihe alter Häuser begrenzt, die durch futuristische Glasbauten verbunden sind. Darin befindet sich das Wolfgang Bonhage-Heimatmuseum. Vom anschließenden Marktplatz, auf dem sich ein mittelalterlicher Pranger befindet, ging es zwischen innerer und äußerer Stadtmauer durch den Schießhagen und der Freilichtbühne zurück zum Hotel, wo der Rundgang nach fast zweistündiger Dauer endete. Der Abend stand zur freien Verfügung, wobei die leicht Ermüdeten das Hotelrestaurant zum Abendspeisen vorzogen.
Der 2. Exkursionstag begann mit der Fahrt zum Goldbergwerk am Eisenberg, das oberhalb der ehemaligen Bergbausiedlung Goldhausen liegt. Das Besucherzentrum befindet sich in unmittelbarer Nähe der letzten Häuser des Ortes. Herr Friedrich Bachmann begrüßte die Gruppe im Namen des Vereins „Historischer Goldbergbau Eisenberg e.V.“, der die Anlagen unterhält und die Besichtigungen durchführt. Unterstützt von seiner Frau führte er in die Geschichte des Goldbergbaus ein. Nachdem die Menschen in der Eder Flittergold gefunden hatten – wovon bereits die Römer wussten –, machten sie sich auf die Suche nach dem Ursprung des Goldes und wurden am Eisenberg fündig. Im 11. und 12. Jh. wurde das Gold, wie noch zu erkennen ist, über Tag abgebaut. Etwa um 1200 beginnt das Eindringen in den Berg. Der Untertagebau dauerte bis zum Dreißigjährigen Krieg, also ca. 400 Jahre, in denen der Berg mit Stollen durchlöchert wurde. Nach dem Kriege wurde der Bergbau nicht wieder aufgenommen, denn es lebte keiner mehr, der Kenntnisse und Fähigkeiten des Bergbaus besaß. Spätere Versuche, den Goldbergbau wieder zu aktivieren, scheiterten. Etwa 1,2 Tonnen reines Gold wurden bisher gewonnen, und es wird geschätzt, dass noch ca. 1 Tonne im Gestein vorhanden ist, jedoch wirtschaftlich uninteressant zu sein scheint. In zwei Gruppen zu 12 bzw. 14 Personen wurde der Schaustollen begangen.
Ausgerüstet mit gelben Gummistiefeln, gelber Regenjacke und Helm mit Lichtstrahlern war eine kurze, äußerst steile Wegstrecke durch den Wald zurückzulegen, die auf dem Rückweg kräftige Puste erforderte. Diese steile Strecke hat mehrere Exkursionsteilnehmer davon abgehalten, den Stollen zu besichtigen. Während die erste Gruppe im Stollen war, konnte sich die zweite im Museum umsehen, bis auch sie mit dem Anziehen der Schutzkleidung an der Reihe war. Im Stollen waren die Farben der Mineralien faszinierend, immer neue Nuancen ließen sich im Gestein, der Struktur und im Schichtenverlauf erkennen. Am beeindruckendsten war das Licht eines Kienspans, nachdem alle die elektrische Helmlampe ausgeschaltet hatten. Ein gutes Beispiel für die schwachen Lichtverhältnisse, bei denen die Bergleute früher arbeiten mussten.
Nach dem Besuch des Bergwerks erfolgte gegen 12:00 Uhr die Weiterfahrt durch das Twistetal nach Bad Arolsen, das kurz vor 13:00 Uhr erreicht wurde. Dank des Geschicks unseres Fahrers, Parkmöglichkeiten für den Bus zu finden, konnte nahe am Kirchplatz ausgestiegen werden. Damit lagen Rathaus, Stadtkirche und Schloss in gut erreichbarer Nähe. Die Mittagspause stand zur freien Verfügung und wurde meist zur Einnahme einer kleinen Mahlzeit und zu einem kurzen Rundgang im Schlossbereich genutzt.
Interessant gerade für Fachleute war das gegenüber dem Kirchplatz 1988 aufgestellte „Denkmal 9. Längengrad“, eine Sandsteinkugel mit eingeritztem Gradnetz unter Betonung des besagten Meridians. Der am Sockel angebrachten Beschriftung lässt sich entnehmen, dass man die Landkarten der Bundesrepublik Deutschland auf diesen 9. Längengrad ausgerichtet hat.
Gegen 14:30 Uhr wurde die Fahrt mit Ziel Willingen (Upland) fortgesetzt. Die Route führte über Vasbeck und Adorf zum Diemelsee, wo die Straße ein kurzes Stück durch Nordrhein-Westfalen verläuft, und weiter entlang des Nordufers und über die Staumauer ins Upland zur Mühlenkopfschanze, die, nach Durchfahren des Ortes Willingen, kurz vor 16:00 Uhr erreicht wurde. Um die Höhe am Fuße des Anlaufturmes zu erreichen, benutzten die meisten Exkursionsteilnehmer die Kleinkabinenbahn. Vier der Gruppe wählten jedoch die lange Treppe und stiegen 123 Höhenmeter auf. Oben wurden sie von den bereits eingetroffenen Bahnfahrern mit Applaus empfangen. Oben angekommen wies Prof. Sabel an einem Aufschluss auf die unterschiedliche Betrachtungsweise von Geologen und Bodenkundlern hin. Geologen „räumen“ das Quartär meist ab und betrachten nur die Schichten darunter, für Bodenkundler ist das Quartär das Thema schlechthin. An diesem Standort kamen Schuttdecken, Solifluktion, eingeregelte und Haken schlagende Steine, äolisch transportiertes Feinmaterial, Löss, Deckschutt gegliedert in Haupt-, Mittel- und Basislage, Lockerbraunerde als ein mit feinem vulkanischem Bimstuff (Laacher See-Tephra) durchmischter Boden sowie Flora und Fauna zur Sprache. Die Dicke der Gebirgsböden in Mitteleuropa beträgt etwa 50 cm. Bodentierchen arbeiten den Boden auf, es entsteht Rohhumus.
Bei der anschließenden Wanderung talwärts wird im Boden Kohle gefunden, sie ist ein Zeichen für einen früheren Meilerplatz, an dem Holzkohle erzeugt wurde; solche Plätze lassen sich überall in deutschen Wäldern finden. Unmittelbar nach dem Waldgang erfolgte die Rückfahrt nach Korbach zum Hotel, in dem ab 19:30 Uhr ein gemeinsames Abendessen vom Buffet stattfand.
Am 3. Exkursionstag wurde aus Zeitgründen die Abfahrtszeit um eine halbe Stunde auf 8:00 Uhr vorverlegt. Vorbei an Bad Arolsen, Volkmarsen und Hofgeismar führte die Strecke zum Hutewald bei Beberbeck. Das durch die Unterschutzstellung vor über 100 Jahren sich zum Urwald entwickelte Areal ist als „Urwald Sababurg“ sowohl für den Tourismus als auch für die Wissenschaft von Bedeutung. Beim über 2 km langen Rundgang beeindruckten die teils stehenden teils gefallenen Baumriesen.
Auffallend sind auch die ausgedehnten Farnflächen. Die leicht nieselige Wetterlage trug das ihrige zur Stimmung in dem relativ dichten Waldgelände bei. Das Gebiet des Reinhardswaldes war nach dem Mittelalter weitgehend entvölkert, der Wald diente der herrschaftlichen Jagd. Im Naturschutzgebiet trifft man auf sehr unterschiedliche Böden. Wo Staunässe ansteht, Gley, ansonsten alle Stadien der Verrottung: Mull, Moder, Rohhumus. Im Anschluss erfolgte die Weiterfahrt zum so genannten „Großen oder nassen Wolkenbruch“, einem mit Wasser gefüllten Erdfalltrichter.
In der Nähe liegt ein zweiter, der trockene „Kleine Wolkenbruch“. Der Erdfalltrichter, auch als Doline bezeichnet, entstand durch Oberflächenwasser, das durch Kluft- und Spaltensysteme bis zum vor etwa 250 Mio. Jahren abgelagerten Zechstein hinab drang und dort das Salz auflöste. Dadurch entstand ein Hohlraum, in den das umgebende Gestein nachbrach, der Hohlraum sich im Laufe der Zeit nach oben ausweitete, bis schließlich die Oberfläche einstürzte. Dies soll – wie es auch die Sage erzählt – anlässlich eines Wolkenbruchs geschehen sein, daher der Name. Im großen Trichter sammelte sich Regen- und Oberflächenwasser an, das einen ca. 70 m breiten und über 20 m tiefen See entstehen ließ. Um den etwa 150 m im Durchmesser großen oberen Trichterrand führt ein Weg, von dem man einen ausgezeichneten Einblick in die Hohlform erhält.
Als nächstes Ziel wurde Bad Karlshafen angesteuert. Nach einem kurzen von Prof. Sabel geführten Rundgang um die Hafenanlagen mit seinen randlichen, im einheitlichen schlichten Barockstil gehaltenen Häusern stand die Mittagspause zur freien Verfügung.
Karlshafen wurde 1699 von Landgraf Carl zu Hessen an der Nordspitze der Landgrafschaft planmäßig angelegt. Der Hafen sollte über einen Kanal die Weser mit Kassel verbinden, um nach den Wünschen des Landgrafs das Stapelrecht der Stadt (Hannoversch) Münden zu umgehen. Die ersten Bewohner waren Hugenotten, protestantische Glaubensflüchtlinge aus Frankreich. Ein Zeugnis davon ist das hier ansässige Deutsche Hugenotten-Museum. Von Bad Karlshafen aus ging es zunächst zurück bis Hofgeismar, dann weiter über Grebenstein und Vellmar nach Kassel zum Herkules-Denkmal, um die sonntäglichen Wasserspiele zu erleben. Mit Beginn der Vorstellung um 14:30 Uhr wandern die Besucherscharen entlang der verschiedenen Kaskaden hinab auf das Schloss Wilhelmshöhe zu, bis zur 50 m hohen „Großen Fontaine“, die den Abschluss der Wasserspiele bildet.
Nach den vielfältigen Eindrücken erfolgte gegen 16:15 Uhr die Abfahrt beim Schloss Wilhelmshöhe in Richtung Fritzlar. Die Stadtbesichtigung von Fritzlar war jedem selbst überlassen. Nebst Ortserkundung mit Dombesuch sind Kaffee, Kuchen und Eis die Favoriten.
Vor der Weiterfahrt wird am „Grauen Turm“ ein Gruppenbild aufgenommen.
Kurz nach 18:00 Uhr geht es auf den letzten Teil der Reise, um, nach einem kurzen Zwischenhalt an der Raststätte „Limes“, gegen 20:30 Uhr am Frankfurter Hauptbahnhof Südseite anzukommen.
Helmut Uhrig, Hafenlohr