Exkursion Schleswig-Holstein
Die Sektion Hessen der DGfK startete am 19. Juni 2019 zu ihrer 47. Fachexkursion. Schwerpunkt in diesem Jahr war Schleswig-Holstein. An der Fahrt beteiligten sich 43 Personen. Zu Beginn der Fahrt bekamen die Reisenden einen ausführlichen Exkursionsführer mit zahlreichen Karten und weiteren Abbildungen, erstmals mit einer Karte aller seit 1953 von der Sektion durchgeführten Exkursionen.
Der erste Tag galt vorrangig der Anfahrt zum Exkursionsziel Flensburg, Ort der vier Übernachtungen. In Bad Gandersheim wurde ein Zwischenhalt eingelegt, bei dem, wenn auch kurz, die Möglichkeit einer Ortserkundung bestand.
Einige lange Staus vor allem vor Hamburg behinderten leider ein zügiges Vorankommen, sodass erst am späten Abend das Hotel erreicht wurde und das reservierte Abendessen eingenommen werden konnte.
Am nächsten Tag stand zuerst eine Besichtigung der Altstadt von Flensburg auf dem Programm. Zwei Stadtführer haben es ausgezeichnet verstanden, den Teilnehmenden die Entstehung, Entwicklung sowie die charakteristischen Bauten dieses norddeutschen Mittelzentrums vorzustellen bzw. näher zu bringen. Daran anschließend gab es eine längere Mittagspause, während der weitere Sehenswürdigkeiten individuell erkundet werden konnten.
Der Nachmittag stand unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Stolz, Geograph an der Europa-Universität Flensburg. Er führte die Teilnehmer zum etwa 10 km südlich der Stadt gelegenen Treßsee und zu der ihn umgebenden Binnendünenlandschaft. Zu Beginn des etwa 1½-stündigen Rundgangs wurde der künstliche Moorsee Jule betrachtet und ein im Dünenbereich gut aufgeschlossener holozäner Podsolboden vorgestellt, in dessen Zusammenhang die angewandten Datierungsmethoden angesprochen wurden.
Auf dem Weg zum Treßsee wurde insbesondere auf die typische Flora hingewiesen. Der Treßsee liegt in der Grundmoränenlandschaft und stellt eine Schmelzwasserrinne aus der Weichsel-Kaltzeit dar. Durch verstärkte Sedimentation verlandet er sukzessive und weist zurzeit nur noch knapp 5 ha von den ursprünglich >120 ha Fläche auf. Er wird von der Bodenau gespeist und bildet den Quellbereich der Treene, einem Nebenfluss der Eider. Unweit des Sees lässt sich die Endmoräne im Jungmoränengebiet Angels ausmachen.
Die Weiterfahrt brachte die Exkursionsteilnehmer zum Schloss Glücksburg und nach einer Kaffeepause an den am Südufer der Förde gelegenen Strand der Solitüde. Hier wurde vorrangig auf die Entstehung des glazialen Zungenbeckens der Förde eingegangen. Zur Sprache kamen hier auch die kultur- und wirtschaftsgeographischen Verhältnisse beiderseits der deutsch-dänischen Grenze.
Am dritten Exkursionstag wurde am Vormittag das Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, das GEOMAR, in Kiel besucht. Jan Steffen, Referent für Kommunikation und Medien, begrüßte die Reisegruppe und erörterte einleitend die Arbeitsschwerpunkte der Forschungsinstitution, zu denen er den menschlichen Einfluss auf marine Ökosysteme, die Rolle des Ozeans im Klimawandel, die biologischen, mineralogischen und energetischen Rohstoffe sowie die Plattentektonik und marine Naturgefahren rechnete. Beim folgenden Rundgang wurden in der Eingangshalle die Originalkopie eines Ozeanboden-Seismometers (OBS) vorgestellt, der für die Aufzeichnung von Schwingungen am Meeresboden eingesetzt wird. Danach folgten die fünf als Modelle vorhandenen Forschungsschiffe, deren Charakteristika und Arbeitsaufgaben erläutert wurden. Ausgestellt sind die Meteor und die Maria S. Merian im Maßstab 1:100 sowie die Alkor, Littorina und Poseidon in 1:50.
Im Anschluss betrat man die Lithothek, eine große Halle, in der Sedimentkerne und Gesteinsproben zu ihrer Bearbeitung gelagert werden. Abschließend wurde das Technik- und Logistik-Zentrum besucht. Nebst Kleingerätschaften scheinen in diesem Trakt verschiedene große Tiefseegeräte bei Nichteinsatz ihren Standort zu haben. Zunächst wurde man auf das in originalgroßer Kopie vorhandene autonome Unterwasserfahrzeug ABYSS aufmerksam gemacht, das mittels Echoloten den Meeresboden bis in 6000 m Tiefe kartiert und mittels Sensoren physikalische Parameter der Wassersäule messen kann. Zu guter Letzt erfolgte die Vorstellung des ferngesteuerten Tiefseeroboters ROV PHOCA, das zur Erkundung der bis 3000 m tiefen Randmeere eingesetzt wird, und des bemannten Tauchboots JAGO, das bis 400 m tief zur Erforschung aquatischer Systeme und Lebensräume dient.
Nach der Mittagsmahlzeit in der nahe, an der Schwentine gelegenen Mensa der Fachhochschule Kiel gelangte man über Eckernförde nach Schleswig und hier zunächst zum Schloss Gottdorf. In zwei parallelen Gruppen wurde durch das Archäologische Museum geführt. Schwerpunkte waren das Nydamboot, ein 1863 entdecktes Wikingerschiff aus dem 4 Jh. sowie drei Moorleichen, die von verschiedenen Standorten stammen.
Der anschließende Spaziergang führte durch den Schlosspark zu den barocken Gärten mit Tempel, Herkulesteich und Globushaus. In diesem Bau ist ein sogenannter Riesenglobus mit 3 m Durchmesser ausgestellt, eine Kopie des Originals von 1664, das auf Geheiß von Zar Peter nach St. Petersburg gebracht wurde, hier einem Brand weitgehend zum Opfer fiel, danach aber restauriert wurde. Man kann das Innere betreten und dabei ein mit Figuren ausgemaltes Planetarium betrachten.
Von der Terrasse des Globushauses genießt man eine schöne Sicht auf die Gartenanlagen mit Schloss sowie in der Ferne zum modernen Wikingturm. In der Folge wurde das Stadtzentrum von Schleswig aufgesucht. Hier erkundeten die Exkursionsteilnehmer individuell den alten Ortskern mit Hafenanlagen, insbesondere das Fischerviertel Holm mit seinen charakteristischen Häusern und dem zentralen Friedhof.
Der 4. Tag der Exkursion führte nach Nordfriesland. Nach Überquerung der im Westen Flensburgs vorhandenen weichsel-eiszeitlichen Endmoräne erreichte man die Geestlandschaft, zunächst die Niedere Geest, das Gebiet der Sander aus der Weichsel-Kaltzeit, und danach die Hohe Geest, den Bereich überformter saale-eiszeitlicher Sedimente. Die Landschaft ist flach und durch das Vorhandensein zahlreicher Knicks charakterisiert. Braunerden und Podsole sind die typischen Böden, Gleye und Moore gibt es in Muldenlagen. In diesem Bereich trifft man auf viele Windparks, deren Windräderzahl zur Küste hin zunimmt und ein Zeichen für eine hohe Energiegewinnung darstellt. Mit Erreichen des nordfriesischen Gebietes wurden die verschiedenen Sprachen Schleswig-Holsteins sowie die Toponyme des Raumes erörtert, darunter insbesondere die zahlreichen Suffixe der Siedlungsnamen. Entlang der Geest gelangte man zum nahe Bredstedt gelegenen rd. 43 m hohen Stollberg. Auf dem Weg dorthin fielen die zahlreichen mit Mais angepflanzten Agrarflächen auf, da Mais eine gute Basis für die Gewinnung von Biogas ist. Vom Standort am Stollberg hatte man bei klarer Sicht einen schönen Blick auf die Marschlandschaft. Selbst die Inseln und Halligen ließen sich im Hintergrund gut erkennen. Prof. Stolz ging hier auf die Entwicklung der nordfriesischen Küste mit all ihren zerstörenden Sturmfluten, insbesondere der zwei „Großen Mandränken“, der 2. Marcellus- und der Burchardi-Sturmflut von 1362 und 1634, sowie auf die Phasen der Eindeichung ein. Am Standort am Stollberg ist ein Findlingspfad eingerichtet, der nebst Tafeln zur Geologie, Petrologie und Archäologie eine Aneinanderreihung von Gesteinen aus Skandinavien, vorrangig Magmatite und Metamorphite, aufweist.
In unmittelbarer Nähe bei Büttjebüll wurde ein Raseneisenerzvorkommen aufge-sucht. Leider war die Fundstelle weitgehend zugewachsen, sodass kaum noch etwas von den Eisenkonkretionen zu sehen war. Die Weiterfahrt erfolgte durch das Marschland, speziell durch den Sönke-Nissen- und durch den Cecilienkoog. Sönke Nissen war ein Eisenbahningenieur aus Nordfriesland, der in Deutsch-Südwestafrika Vermögen angesammelt hatte und nach seiner Rückkehr in die Heimat die Errichtung des genannten Koogs großzügig finanziell unterstützte. Im Sönke-Nissen-Koog ließen sich die Gebäude mit grünen Blechdächern nach Vorbild SW-Afrikas beobachten. Schließlich kam man zum Beltringhader Koog. Entlang des Lüttmoordamms wurde der Deich am Lüttmoorsiel erreicht, ein Bereich des Wattenmeeres, der durch eine Vordeichung erst 1987 fertig gestellt wurde. Auf diese Weise wurde die Insel Nordstrand mit dem Festland verbunden. Der Beltringharder Koog, 1991 als Salzwasserbiotop unter Naturschutz gestellt, ist mit rd. 3.350 ha das größte Naturschutzgebiet Schleswig-Holsteins. Von der Höhe des Deichs hatte man einen ausgezeichneten Überblick auf das Vorland, landeinwärts zum Koog und meerwärts zur Wattlandschaft.
In der Ferne ließen sich sogar die Warften auf Nordstrandischmoor ausmachen. Erläutert wurden hier u. a. die Entstehung und der Aufbau des Koogs, aber auch die Untergliederung der Wattenmeerfläche in Lahnungsfelder von etwa 100 x 200 m Größe mit ihren Entwässerungsgräben, den Grüppen, sowie die weiteren Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der Küste. Große Freude bereitete die Richtung Nordstrandischmoor fahrende kleine Lorenbahn.
Nach kurzer Fahrstrecke folgte Husum, wo zur Mittagszeit ein längerer Zwischenhalt eingelegt wurde. Nach der Ankunft in Husum verabschiedete sich Prof. Stolz aus zeitlichen Gründen von der Exkursionsgruppe. Im Zentrum herrschte ein lebendiges Treiben; auf dem Markt hatten sich die meisten der Gruppe ein Fischbrötchen gegönnt. Es blieb noch genügend Zeit für einen, wenn auch kurzen, Stadtrundgang.
Die Weiterfahrt erfolgte weitestgehend küstenparallel auf der B5 bis Niebüll und ab hier über Neukirchen zum nahe Seebüll gelegenen Nolde-Museum. Hier besichtigten die Reiseteilnehmer das Nolde-Haus mit der umfangreichen Gemäldesammlung. Der schöne Garten mit den vielen blühenden Pflanzen, dem Teich und Teehäuschen sowie der nahe liegenden Grabstätte des Künstlers und seiner Gemahlin wurde ebenfalls aufgesucht.
Wieder in Flensburg verbrachte man den Abend beim gemeinsamen Essen in einem Restaurant.
Am 23.6.2019 hieß es Abschied nehmen vom Norden. Die Rückfahrt nach Frankfurt a. M. war durch viele Baustellen und den damit verbundenen Staus stark beeinträchtigt. Aus zeitlichen Gründen wurde der geplante längere Zwischenhalt in Einbeck fallen gelassen, sodass man pünktlich wie vorgesehen gegen 20:00 Uhr am Zielort ankam.
Werner-Francisco Bär, Oberursel (Ts)