Exkursion 2022

Exkursion Goslar

Die jährliche Fachexkursion der Sektion Hessen der DGfK fand vom 15. zum 18. September 2022 statt und hatte Goslar und den Westharz zum Ziel. Zu Beginn der Reise erhielten alle Teilnehmer/innen einen ausführlichen Exkursionsführer, dessen Karten die Ausführungen des Exkursionsleiters während der Fahrt unterstützten. Die Route führte längs der Wetterau, vorbei an Vogelsberg und Knüll-Gebirge zunächst nach Kassel und in der Folge, nach Überquerung der Werra, entlang des Leinegrabens bis an den Nordrand des Harzes. In Kassel wurde zur Mittagszeit ein längerer Halt eingelegt, um die Gelegenheit zu haben, ein wenig die Stadt zu erkunden und sich einige Objekte der documenta fifteen-Ausstellung anschauen zu können. Durch den Zustieg drei weiterer Personen wurde die 41 Teilnehmer/innen umfassende Reisegruppe vollständig.


Kassel, Museum Fridericianum. Anlässlich der documenta fifteen ließ Richard Bell an der Balustrade der Hauptfassade ein Zählwerk anbringen, das ab 1901 bis heute laufend die Schulden des australischen Staates bei den indigenen Völkern erfasst (Foto: W. Mehlitz)

Hauptfassade des 1905-1909 errichteten neuen Rathauses in Kassel. Zuvorderst die Freitreppe mit einem der goldenen Löwen. Über den Eingangsportalen das Wappen der Stadt (Foto: W. Mehlitz)

Am Nachmittag gelangte man schon nach Goslar, sodass noch Zeit blieb, um einen ersten Eindruck der historischen, im Mittelalter „Nordisches Rom“ genannten Stadt zu bekommen.

Der Vormittag des 2. Exkursionstages galt vorrangig Goslar. Frau H. Kammler und Frau D. Prüssner von der Goslar marketing gmbh haben die Gäste in zwei parallelen Gruppen durch die Gassen und Plätze der Altstadt geführt und in äußerst lebendiger Weise die markanten historischen Bauten näher gebracht. Mittelpunkt war der Marktplatz mit den umrahmenden Bauten, dem Rathaus, dem Gildehaus Kaiserworth sowie dem Kaiserringhaus (vormals Kämmereigebäude) mit seinem dem Bergbau gewidmeten Glocken- und Figurenspiel. Besondere Aufmerksamkeit schenkte man auch den zahlreichen Kirchen in der Stadt, darunter insbesondere der Markt-, der Jacobi- und der Neuwerkkirche. Eine Vielzahl dekorativer Fachwerkhäuser versetzt zusammen mit mehreren kopfsteingepflasterten Gassen den Betrachter in die mittelalterliche Vergangenheit.


Goslar. Im Zentrum des Marktplatzes steht der aus zwei Bronzegussschalen bestehende Brunnen, gekrönt mit dem Reichsadler als Wahrzeichen der Stadt. Im Hintergrund das Kaiserringhaus mit dem Glocken- und Figurenspiel, das an die Geschichte des Rammelsberger Bergbaus erinnert (Foto: W. Mehlitz)

Das 1494 am Marktplatz von Kaufherren errichtete Gildehaus der Tuchhändler Kaiserworth mit gotischer Fassade und barocken Kaiserfiguren (Foto: W. Mehlitz)

Im Zentrum der Stadt Goslar die Marktkirche St. Cosmas & Damian mit ihren zwei ungleich gestalteten Türmen (Foto: W. Mehlitz)

Das 1693 vollendete Siemenshaus an der Ecke Schreiber-/Bergstraße gilt als eines der am besten erhaltenen Fachwerkbauten der Stadt. Früher diente es als Wohnhaus und Krämerladen, heute beherbergt es das Familienarchiv (Foto: W. Mehlitz)

Höhepunkt des Rundgangs war die miteinbezogene Besichtigung der Kaiserpfalz mit dem prunkvoll ausgestatteten Festsaal. Die Kaiserpfalz bestätigt Goslar als zeitweise Residenz und wichtigste Pfalz des Heiligen Römischen Reiches in der Herrschaftsära der Ottonen und Salier. In dem Festsaal, der „aula regia“, wurden die Gemälde des Historienmalers Hermann Wislicenus zur Geschichte des Heiligen Römischen Reiches vorgestellt. Ein Gang durch das Gewölbe im Erdgeschoss erlaubte u. a. einen Blick auf den ausgestellten bronzenen Kaiserthron und auf den geheimnisvollen Greifen sowie in der oktogonal gekrönten Pfalzkapelle St. Ulrich die Ansicht der Grabplatte des Kaisers Heinrich III., dessen Herz hier ruhen soll. Vor der Pfalz befindet sich die Domvorhalle, ein Überbleibsel der 1820 abgerissenen Stiftskirche St. Simon und Judas.


Die Kaiserpfalz zu Goslar, erbaut zwischen 1040 und 1050. Davor die Reiterstatuen der Deutschen Kaiser Wilhelm I. (links) und Friedrich I. Barbarossa sowie die bronzenen Löwen (Foto: W. Mehlitz)

Die im 12. Jahrhundert erbaute Domvorhalle der 1899-1922 abgerissenen Kaiserlichen Stiftskirche St. Simon und Judas. Beeindruckend vor allem die zahlreichen Giebelfiguren (Foto: W. Mehlitz)

Am frühen Nachmittag begab sich die Reisegesellschaft nach Clausthal-Zellerfeld. Die reizvolle Strecke dorthin führte durch das bewaldete, tief eingeschnittene Tal der Gose. In Clausthal angekommen stand die Besichtigung der wertvollen Geosammlung auf dem Programm. Die heute zur Technischen Universität gehörende Sammlung wurde bereits Anfang des 19. Jahrhunderts als Lehrgrundlage der ursprünglichen Bergschule und der daraus folgenden Bergakademie geschaffen. Dr. Wilfried Ließmann vom Institut für Endlagerforschung empfing die Gäste und gab zunächst Erläuterungen zur Entwicklung der Stadt und zum Bergbau der Region, um im Anschluss im Hauptgebäude der Technischen Universität zur Führung überzugehen. Für die Besucher der Sektion wurden aus den ca. 120 000 Exponaten der Gesamtausstellung die umfangreiche Mineralien- und die Harzsammlung ausgewählt. Nach einer kurzen Einführung konnten sich die Gäste in Ruhe umsehen und die mineralogischen Schätze bestaunen.


Geosammlung in der Technischen Universität Clausthal. Mit zahlreichen Exponaten ausgestattete Vitrinen im Hauptsaal der Mineraliensammlung (Foto: W. Mehlitz)

Zinckenit von der Antimonlagerstätte Wolfsberg im Unterharz aus der Mineraliensammlung der Technischen Universität Clausthal als ein Beispiel für die Vielzahl eindrucksvoller Exponate (Foto: W. Mehlitz)

Begeistert wurden die prächtigen Exponate betrachtet und ihre Schönheit bewundert. In den nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten systematisch aufgebauten Sammlungen gab es Mineralien, die durch ihre Größe oder auch durch ihre Winzigkeit auffielen, andere die durch ihre extreme geometrische Symmetrie oder vielfach auch solche, die nur durch ihre Ästhetik, sei es Form, Glanz, Struktur oder Farbe die Aufmerksamkeit der Betrachter auf sich lenkten.


Exkursionsgruppe vor dem Hauptgebäude der Technischen Universität Clausthal (Foto: W.-F. Bär)

Von Clausthal-Zellerfeld ging es direkt zurück nach Goslar. Der Abend stand den Teilnehmern/innen zur freien Verfügung.

Der 3. Tag sah eine Ganztagstour in den Oberharz vor. Sie stand unter Leitung von Herrn Dr. Martin Sauerwein, Professor am Institut für Geographie an der Universität Hildesheim. Erster Standort war das im Süden von Goslar gelegene Erzbergwerk Rammelsberg. Vor den Toren des Bergwerks erläuterte Prof. Sauerwein den geologischen Aufbau und die geologische Entwicklung des Harzes seit dem Karbon als ein Teil des ehemaligen variszischen Gebirges und der später einsetzenden saxonischen Gebirgsbildung, durch die dieser als Block herausgehoben wurde, und ging dabei auf die Entstehung des granitischen Brockenplutons und dessen Auswirkungen auf das Nachbargestein ein. Speziell erörtert wurde die Bildung von Erzlagerstätten, insbesondere in Bezug auf die hiesigen Vorkommen von Silber, Blei, Kupfer und Zink. Herausgestellt wurde auch das Bergwerk Rammelsberg selbst, sein Werdegang vom planmäßigen Grubenbetrieb 968 unter Otto I. bis zur Stilllegung 1988, die technischen Gegebenheiten und die Vorgehensweisen bei der Erzgewinnung sowie die Schwierigkeiten bei der Tätigkeit der Bergleute.


Teilansicht des im Süden von Goslar gelegenen Erzbergwerks Rammelsberg, seit 1992 UNESCO-Weltkulturerbe. Die in sieben Etagen errichteten Gebäude dienten der Erzaufbereitung (Foto: W. Mehlitz)

Im Anschluss daran begab man sich zum Eingangsbereich des wenige Meter talaufwärts gelegenen, 1805 vollendeten Roeder-Stollens, in den einst Wasser eingeleitet wurde, um unter Tage Räder anzutreiben, die der Erzförderung bzw. der Grubenwasserhebung dienten. Wie berichtet wurde, haben sich im Innern des Stollens schmuckvoll Vitriole abgesetzt, die die Gesteinswände verschiedenfarbig überziehen. Unweit des Stollens an der Einmündung zum Wintertal wurde noch ein Blick auf den künstlich mit einem Volumen von 94 000 m³ angelegten Stausee Herzberger Teich geworfen, dessen Wasser vor allem in trockeneren Perioden zum Antrieb der untertägigen Kunsträder, die der Entwässerung des Erzbergwerks nutzten, eingesetzt wurde.

Nach wenigen Kilometern Weiterfahrt wurde der Rastplatz Auerhahn erreicht. Hier begann eine ca. 2-stündige Wanderung entlang der Oberharzer Wasserwirtschaft, auch Oberharzer Wasserregal genannt. Es handelt sich um eine Kaskade von Teichen, die von der UNESCO als vorindustrielles Energieversorgungssystem anerkannt wurde und seit 2010 zusammen mit der Altstadt von Goslar und dem Erzbergwerk Rammelsberg zum Weltkulturerbe gehört. Vor rd. 800 Jahren legten Zisterziensermönche im Harz ein Wasserleitsystem an, das die Wasserkraft für den Bergbau nutzte. Ab dem 16. Jahrhundert wurde das Wasser umgeleitet und gespeichert und trieb Räder und Pumpen des Bergbaus an. Heute besteht es aus 107 historischen Teichen und zahlreichen Wassergräben und Wasserläufen in einer Länge von rd. 350 km. Regal bedeutet in diesem Zusammenhang auch ein königliches Hoheitsrecht im Mittelalter, Wasserregal bezeichnet demzufolge das Recht, Wasserquellen der Region nutzen zu dürfen. Die Wanderung führte zunächst längs des Auerhahn-, Neuer Grumbacher, Oberer Grumbacher und Mittlerer Grumbacher Teiches – neuerdings auch „Liebesbankweg“ genannt –, um etwa ab hier in Richtung Hahnenklee abzubiegen. In Hahnenklee wurde die Gustav-Adolf-Stabkirche aufgesucht. Der von Prof. Mohrmann im Stil norwegischer Kirchen entworfene einzigartige Bau wurde 1907-1908 aus heimischem Fichtenholz in Mastenbauweise errichtet und erinnert sehr an den Schiffsbau.


Gustav-Adolf-Stabkirche in Hahnenklee. Der 1907-1908 ausschließlich aus Fichtenholz erstellte Bau hatte norwegische Kirchen als Vorbild (Foto: W. Mehlitz)

Innenansicht der Stabkirche in Hahnenklee. Die Architektur erinnert an den Schiffsbau (Foto: W. Mehlitz)

Blick nach Nordost über den Kranicher Teich in Hahnenklee. Vorne ein Striegelhaus, das einen geregelten Wasserablauf des Stauteiches ermöglicht (Foto: W. Mehlitz)

Am Nachmittag wurde die Fahrt vom nahe gelegenen Kuttelbacher Teich zur Ortschaft Torfhaus im Gebiet des Nationalparks Harz fortgesetzt, mit 247 km² einer der größten Waldnationalparke Deutschlands. Die Strecke führte entlang der W-E-verlaufenden Wasserscheide auf der Harz-Hochstraße. Beiderseits der Trasse war eine Vielzahl abgestorbener und/oder abgeholzter Fichtenbestände zu beobachten. Für den intensiven Bergbau wurden in vergangenen Jahrhunderten große Flächen an Laubwald geplündert. Die folgende Aufforstung geschah mit schnell wachsenden, für Windwurf und Borkenkäfer allerdings anfälligen Fichten. Prof. Sauerwein ging auf die Ursachen der Entwaldung ein und besprach die aktuellen Maßnahmen. Ehemalige Fichtenareale werden jetzt, wie im Gelände erkennbar, mit Buchen unterpflanzt, um so schnell einen gesunden, stabilen Wald zu erhalten. Im Gegensatz dazu werden im Bereich des Nationalparks Harz die entwaldeten Areale bis auf die Randgebiete sich selbst überlassen, um sie in einen Naturwald zurückzuführen. In dieser sogenannten Naturdynamikzone soll inzwischen die Regenerierungsfläche bereits 70% betragen. Mit Torfhaus wurde die rd. 800 m ü. NHN gelegene höchste Siedlung Niedersachsens erreicht. Sie liegt im nordwestlichen Randbereich des Nationalparks Harz mitten in einer Sumpf- und Moorlandschaft. Vom Besucherzentrum TorfHaus aus wurde eine vergleichsweise zum Vormittag kürzere Wanderung durch dieses Naturschutzgebiet unternommen. Die teils auf dem Goetheweg und auf einem kurzen Abschnitt auf Bohlen verlaufende Strecke führte begleitet vom Abbegraben über das Große Torfhausmoor, das man auch Radauer Born-Moor nennt. Prof. Sauerwein erläuterte am Standort Brockenblick die Entstehung und Entwicklung von Mooren und erörterte insbesondere den Zustand und die gegenwärtigen Verhältnisse des vorliegenden Hochmoors. Hochmoore kommen auf wasserundurchlässigen basenarmen Gesteinsschichten vor und ernähren sich über Regenwasser, sind nährstoffarm und bilden eine uhrglasförmige Oberfläche; sie liegen hier in einer Höhenlage zwischen 700 und 1100 m. Eingegangen wurde auch auf die spezielle Vegetation und die Auswirkungen des Klimawandels. Vom ausgewählten Standort hatte man an dem Nachmittag einen klaren Blick zum östlich in ca. 5 km Luftlinie entfernten, 1141 m hohen Brockengipfel, dem höchsten Punkt des Harzer Nationalparks.


Blick von Torfhaus im Nationalpark Harz auf den 1141 m hohen Gipfel des Brocken. Ausgangspunkt des Rundwanderweges um das Große Torfhausmoor (Foto: W. Mehlitz)

Das Große Torfhausmoor mit seiner typischen Vegetation. Ein Bohlenweg ermöglicht die Überquerung des sumpfigen Areals (Foto: W. Mehlitz)

Waldsterben im Nationalpark Harz. Die zerstörten Waldflächen werden zur Regenerierung sich selbst überlassen (Foto: W. Mehlitz)

Sich selbst regenerierende Baumbestände im Bereich des Hochmoorgebietes Torfhaus (Foto: A. Illert)

Die Rückfahrt nach Goslar erfolgte weitgehend entlang der nordwestlichen Nationalparkgrenze und über Bad Harzburg. Den Abend verbrachten die Exkursionsteilnehmer/innen beim gemeinsamen Essen im Restaurant des Hotels.

Sonntagvormittag blieb man noch in Goslar. Hier hatte man individuell noch die Gelegenheit, den einen oder anderen Gang durch die Gassen und Plätze der Stadt zu wiederholen und sich dabei noch die nun geöffneten Kirchen anzusehen. Am frühen Nachmittag wurde die Rückreise gestartet. Homberg (Efze) als gedachter Zwischenhalt wurde wegen des starken Regens fallengelassen, sodass man Frankfurt am Main bereits gegen 19:30 Uhr erreichte.

 

Werner-Francisco Bär, Oberursel (Ts)

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