Exkursion 2006

Rhön

Am 24. Juni 2006 starteten 44 Mitglieder und Gäste der Sektion Hessen zu ihrer traditionellen Jahresexkursion. Zielgebiet dieser zweitägigen Fahrt war die Rhön. Den fachlichen Teil übernahm die Geographin Frau Dr. F. Fuchs, ehemalige Mitarbeiterin des Instituts für Physische Geographie der Universität Frankfurt am Main und ausgezeichnete Kennerin des genannten Gebietes.

Erster Standort war der 403 m hoch gelegene Petersberg in Fulda mit der Kirche St. Peter (Grabkirche der Hl. Lioba). Von diesem erhöhten Punkt aus – und bei guter Fernsicht – gab Frau Dr. Fuchs einen allgemeinen Überblick in die Geomorphologie der Rhön und des Vogelberges, in das Siedlungsbild des Fuldaer Raumes mit seinen vier Klosterbergen und in dessen geschichtliche Entwicklung. Leider verhinderten Bauarbeiten an der Kirche eine Besichtigung des Innern, das vor allem durch die Erhaltung karolingischer Fresken in der Krypta bekannt ist.

Die weitere Fahrt erfolgte über Hünfeld und Rasdorf. Im Bereich der Vorder- und Kuppenrhön angelangt, ließen sich nördlich der Straße mehrere, deutlich über 500 m hohe Basaltkuppen ausmachen, die zusammen wegen ihrer bewaldeten gerundeten Formen scherzhafterweise „Fuldaer Kegelspiel“ genannt werden. Rastdorf, ein typisches Angerdorf, konnte aus Zeitgründen leider nur bei einer kurzen Rundfahrt aus dem Bus in Augenschein genommen werden. Nächster Halt war der zwischen Rasdorf und Geise im Bereich der Wasserscheide zwischen den Einzugsgebieten der Fulda und der Werra gelegene Point Alpha, Mahn- und Gedenkstätte der Wiedervereinigung an der ehemaligen Zonengrenze bzw. heutigen Ländergrenze Hessen/Thüringen. Aufgesucht wurden sowohl der Standort West am ehemaligen US-Beobachtungsstützpunkt als auch der Standort Ost am Haus auf der Grenze.


Am Point Alpha. Blick vom ehemaligen US-Beobachtungsposten am Standort West auf den seinerzeitigen innerdeutschen Grenzstreifen
(Foto: B. E. Beinstein)

An dem großen „Runden Tisch“, dem Symbol für die Gesprächsrunden und Ereignisse des Jahres 1989 sowie der wieder gewonnenen Einheit der 16 Bundesländer und in unmittelbarer Nähe der sog. Friedensspirale sitzend, wurden die Exkursionsteilnehmer von Frau Dr. Fuchs, die ihre Kindheit in der Rhön verbracht hat, über die Verhältnisse vor und nach der Grenzsperrung und die damit verbundenen Probleme sozusagen aus erster Quelle informiert.

Das am Point Alpha errichtete Mahnmal ist, wie die Inschrift der Tafel zeigt, „Den Opfern der deutschen Teilung - Den Mutigen der friedlichen Revolution von 1989 - Den Erbauern der Wiedervereinigung“ gewidmet. Die Exkursionsroute führte weiter über Geisa in Thüringen (Geburtsort des deutscher Universalgelehrten Athanasius Kircher) und Hilders im Ulstertal über die Rhein/Weser- bzw. Main/Weser-Wasserscheide nach Fladungen. Im Fränkischen Museumsdorf in Fladungen angelangt wurde im historischen Gasthof „Zum Schwarzen Adler“ ein gemeinsames Mittagessen eingenommen; da die guten Witterungsverhältnisse es zuließen, fand dieses Essen glücklicherweise im dazugehörigen Biergarten statt. Nach der Mittagspause wurde das Fränkische Museumsdorf besichtigt, das den Teilnehmern, in zwei Gruppen aufgeteilt, von Fachkräften bei einem Rundgang ausgezeichnet vorgestellt und erläutert wurde. Nebst acht Hofstellen und Tagelöhnerhäusern weist das Dorfgelände eine Kirche, eine Dorfwirtschaft, ein Gemeindebrauhaus sowie eine Mahl- und Ölmühle auf.


Brav sitzen die „Schüler“ und „Schülerinnen“ in den Bänken der Schule im Fränkischen Museumsdorf in Fladungen (Foto: W. Mehlitz)

Zu sehen war auch das Rhön-Zügle, eine mit Dampf betriebene Kleinbahn, die ab dem Museumsbahnhof verkehrt. Den Nachmittag verbrachten die Reiseteilnehmer bei einem Rundgang durch Ostheim vor der Rhön, einem malerischen Ort im bayrischen Teil dieses Raumes. Eindrucksvoll zeigt sich hier die besterhaltene Kirchenburg Mitteldeutschlands mit mehreren Türmen und Bastionen und einem doppelten Bering, ein Kleinod spätmittelalterlicher Wehrbautechnik. Herzstück ist die darin zentral gelegene evangelische St. Michaelskirche aus dem 2. Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts mit dem prächtigen Deckengemälde am hölzernen Tonnengewölbe. Aber auch die mittelalterlichen Rittersitze um das originelle Fachwerkrathaus sind sehenswert.


Individueller Rundgang durch das Kirchenburgensemble in Ostheim vor der Rhön (Foto: W. Mehlitz)

Am Abend gab es für die Teilnehmer ein gemeinsames Buffet im Rhönhotel Alte Mühle in Ebersburg/Weyhers. Das vorgesehene Tagesprogramm „musste“ an diesem Tag etwas verkürzt werden, da im Fernsehen das im Rahmen der Weltmeisterschaft stattfindende Fußballspiel zwischen Deutschland und Schweden übertragen wurde und „nicht verpasst werden durfte“. Die weniger am Spiel Interessierten saßen währenddessen bei einem erfrischenden Getränk im Hotelgarten.

Der 2. Tag führte die Reisenden zunächst an den steilen, aus Phonolithgestein bestehenden Vulkanberg Ebersberg und zu Fuß zur 689 m hoch gelegenen Ebersburg, eine Ruine der Herren von Ebersberg. Vom Turm aus, den die meisten Teilnehmer bestiegen haben, konnte man sich bei der vorhandenen guten Fernsicht einen ausgezeichneten Überblick über die Rhönlandschaft verschaffen: das Fuldaer Land, die Kuppenrhön und Hohe Rhön. Der nächste Halt an diesem Tag erfolgte an dem ca. 3 km nordöstlich von Gersfeld am Rande des Fuldatals gelegenen Wachtküppel. Vor dem Aufstieg wurde im mittleren Hangbereich unweit der Wendelinuskapelle ein alter, verlassener Steinbruch in Augenschein genommen, in dem unter verwittertem Basalttuff tonige Horizonte zwischen den Lagen des gebankten Buntsandsteins für Quellaustritte sorgen.

Vorbei an den Röttonen des Oberen Buntsandsteins und den Muschelkalk in der steileren Hangpartie, an dem eine Viehtränke eingerichtet ist, gelangte man zur eigentlichen Basaltkuppe aus Nephelintephrit, die eine Höhe von 706 m ü. NN erreicht. Im Falle des Wachtküppels liegt ein freigelegter Rest eines Vulkanschlotes vor, bei dem sich ausgezeichnet die Strukturen des Basaltgesteins erkennen lassen. Die Reisegruppe bestieg diese Anhöhe, wenn auch bei einigen dieses Unterfangen mit Schwierigkeiten verbunden war.


Gruppe am Gipfelkreuz der Basaltkuppe des Wachtküppels (706 m ü. NN) (Foto: W. Mehlitz)

Nach dem Wachtküppel stand die Besichtigung der Steinwand (646 m ü. NN) auf dem Programm. Hierbei handelt es sich um einen herauspräparierten, in
N-S-Richtung ca. 1 km langen und 25 m hohen Gesteinsgang aus grau/grünlichgrauem Erstarrungsmaterial Phonolith (= Klingstein), der gerne als Kletterfelsen benutzt wird. Zum Zeitpunkt unseres Aufenthaltes haben sich mehrere, vorrangig junge Leute an der Wand erprobt.

Um die Mittagszeit wurde die Wasserkuppe erreicht, die mit 950 m höchste Erhebung der Rhön und zugleich Hessens. Der Name Wasserkuppe lässt sich auf das mittelhochdeutsche „Wass“ für Weideplatz zurückführen, so dass anzunehmen ist, dass dieser Bereich schon früh als Weidegebiet genutzt wurde. Bekannt ist die Wasserkuppe auch als Wiege des Segelflugs. Heute gibt es hier ein Segelflugzentrum und Flugzentrum für Hängegleiter, Paragliding und Snowkiting sowie ein Segelflugmuseum. Nach einer individuellen Verköstigungspause wurde ein gemeinsamer Rundgang unternommen, bei dem Frau Dr. Fuchs die ehemaligen und aktuellen Einrichtungen des Hochplateaus erläuterte und im Speziellen auf die Naturlandschaft und die verschiedenen Arten der Flora hinwies.

Vorbei an der Quelle der Fulda ging die Fahrt weiter zum zwischen Gersfeld und Mellrichstadt gelegenen Gangolfsberg (736 m). Nach einem Kilometer Fußweg entlang eines Lehrpfades und nahezu parallel zum Elsbach erreichten die Teilnehmer die so genannte Teufelswand, eine aus dem Jungtertiär stammende Basaltprismenwand, deren eindrucksvoll ausgebildete Basaltsäulen eine wabenartige Struktur aufweisen.


Exkursionsteilnehmer vor der eindrucksvollen Prismenwand aus schräg gestellten Basaltsäulen am Gangolfsberg (Foto: W. Mehlitz)

Die regelmäßig polygonisch geformten Säulen der steilen Wand sind vor rd. 20 Mio. Jahren bei der Erstarrung des Materials im Laufe seiner Abkühlungsphase entstanden und wurden danach im Zuge der Hebung des Gebirges Ende Tertiär schräg gestellt.

Als letzter Fachpunkt des 2. Exkursionstages stand das am Dreiländereck
Bayern, Hessen und Thüringen, auf der Wasserscheide zwischen Main und Weser in rd. 780 m ü. NN hoch gelegene Schwarze Moor auf dem Programm. Das rd. 60 ha große Areal gehört zum großen UNESCO-Biosphärenreservat Rhön und ist Bestandteil des europaweiten Schutzgebietssystems Natura 2000. Hierbei handelt es sich um ein exzentrisch aufgewölbtes Regenmoor mit einer teilweisen Torfmächtigkeit von über acht Metern.


Gruppe beim Rundgang durch das zum UNESCO-Biosphärenreservat Rhön gehörende Schwarze Moor (Foto: W. Mehlitz)

Bei der Begehung des streckenweise auf Holzbohlen verlaufenden Rundweges erläuterte Frau Dr. Fuchs Entstehung, Entwicklung und Milieu des Hochmoors und ging besonders auf die vielfältige, vor allem zu der in der vorliegenden Jahreszeit blühenden speziellen Moorflora ein. Zusätzliche Informationen ließen sich den zahlreichen, entlang des Weges angebrachten Schautafeln entnehmen.


Gruppenbild der Rhön-Exkursionsteilnehmer auf dem Parkplatz am Schwarzen Moor (Foto: B. E. Beinstein)

Den Abschluss der Exkursion bildete ein Vesperessen im Gasthof „Zur Krone - Das Rhönschaf-Hotel“ in Ehrenberg-Seiferts. Anschließend erfolgte die Rückfahrt nach Frankfurt a. M., das mit leichter Verspätung erreicht wurde.

Werner-Francisco Bär, Oberursel (Ts)

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© Sektion Hessen der Deutschen Gesellschaft für Kartographie