Exkursion 2002

Zürich und Raum Säntis/Appenzell

Höhepunkt der Exkursion war, nicht nur altimetrisch, zweifelsohne die Fahrt auf den Säntis. Von dort bot sich eine grandiose Fernsicht von den Montafoner Bergen im Osten bis zum Berner Oberland im Südwesten. Vorher galt es jedoch eine umfangreiche, dicht gepackte Besichtigungs- und Informationstour durch beide Standorte der Eidgenössischen Technischen Hochschule zu absolvieren. Doch der Reihe nach:

Zur 10. Auslandsexkursion der Sektion Hessen der DGfK unter Leitung von Dr. Bär – die 28. insgesamt – starteten am Morgen des 26.09.2002 insgesamt 43 Teilnehmer am Frankfurter Hauptbahnhof zur Fahrt nach Zürich. Die Mittagspause wurde in Lörrach eingelegt, und am späten Nachmittag erreichte man das Hotel "Montana" in der Nähe des Züricher Hauptbahnhofs. Bei der Anfahrt zum Hotel zeigte sich wieder einmal die Diskrepanz zwischen Stadtplan und Wirklichkeit: Umleitungen sind nicht und Einbahnstraßen nicht immer zu erkennen.

Der Abend stand zur freien Verfügung und wurde eifrig zur Erkundung der Stadt genutzt.

Am nächsten Morgen brachte der Bus die Teilnehmer zum Institut für Kartographie der ETH-Hönggerberg. Im Rahmenprogramm wurde ein geführter, ca. zweistündiger Stadtrundgang angeboten.

Prof. Dr. Lorenz Hurni begrüßte die Gäste und gab einen Überblick über das Institut und seine Tätigkeiten in Forschung und Lehre. Nach einer Kaffeepause stellten B. Stern, M. Werner, I. Kunz, und S. Ahrer das Projekt "Swiss Virtual Campus" vor. Die Struktur basiert auf fünf Lernmodulen: Im Modul 0 sind Überblick und Führung installiert. Modul 1 vermittelt Basiswissen und stellt die Werkzeuge bereit, Modul 2 Hydrologische und meteorologische Gefahren, Modul 3 Geologische und tektonische Gefahren, Modul 4 Verwundbarkeit und Modul 5 Integriertes Naturrisiko-Management. Die Module sind inzwischen unterschiedlich weit ausgearbeitet, sie sollen schlussendlich den Studenten ein unabhängiges Erarbeiten des Lehrstoffes ermöglichen, einschließlich Erfolgskontrolle und Bewertung. Es folgte ein Vortrag in englischer Sprache von Radu Gogu über ein von der EU gefördertes Projekt "GEOWARN", ein vulkanologisches Informations- und Frühwarnsystem, zu dem die ETHZ die kartographische Schnittstelle entwickelt. Als Testbeispiel wurde die griechische Vulkaninsel Nisyros ausgewählt. Ein Videofilm machte das Vorhaben anschaulich und verständlich. Anschließend berichtete R. Sieber über den derzeitigen Stand am Schweizer thematischen Nationalatlas "Atlas der Schweiz". Geplant ist ein duales Konzept: Atlas und CD. Die Arbeiten laufen zunächst auf die digitale Präsentation der neuen Ausgabe auf CD hinaus. Möglicherweise wird am Ende kein Papieratlas mehr erstellt werden, und nur bei Bedarf für bestimmte Anlässe der Druck einzelner Karten vorgenommen. Abschließend erläuterte M. Cooper (in Englisch) das EU-Projekt "STATLAS" - ein interaktiver Atlas für die EU.

Auf dem Weg zum Mittagessen im Dozentenrestaurant "Cheminsula" wurde noch ein Blick auf das Gebirgsmodell der "Großen Windgälle" von Prof. Eduard Imhof geworfen. Inzwischen waren auch die Teilnehmer des Stadtrundgangs in Hönggerberg eingetroffen. Nach dem Mittagessen fuhren alle gemeinsam zum Gebäude Rämistrasse, wo Dr. Jürg Bühler die Kartensammlung der ETHZ vorstellte. In zwei Gruppen – unter Leitung von Dr. Bühler und M. Appenzeller – wurden die ausgelegten Originalzeichnungen und Gemälde aus dem Nachlass von Prof. Imhof erläutert und bewundert. Es war einer der seltenen Fälle, bei denen solche Pretiosen in die Hand genommen werden durften. An vier Terminals war die "Virtual Library E. Imhof" geladen und lud zu interaktivem Blättern ein. Frau H. Meyer gab dazu einführende Erläuterungen.


Dr. Jürg Bühler erläutert in der ETH-Rämistrasse Originalzeichnungen und Gemälde aus dem Nachlass von Prof. Dr. E. Imhof (Foto Beinstein)

Sodann führte Herr Germann von der Zentralbibliothek die Gruppe zum Rechbergmuseum, wo die älteste Karte der Schweiz, die um 1667 von Hans Konrad Gyger geschaffene Darstellung des Kantons Zürich, heute hinter Panzerglas gesichert, besichtigt und detailliert erläutert wurde. Diese einst für militärische Zwecke geschaffene Karte erlebte eine wechselvolle Geschichte. Durch die Herausgabe einer Faksimile-Ausgabe 1944 wurde sie weithin bekannt. Den Abschluss bildete der Besuch der Kartensammlung in der Zentralbibliothek Zürich, bei dem insbesondere das Säntis-Relief und Karten des Schweizerischen Alpenclubs gezeigt wurden.


Thomas Germann, Bibliothekar der Zentralbibliothek Zürich, im Rechbergmuseum die von Konrad Gyger um 1667 geschaffene Karte des Kantons Zürich vor (Foto Beinstein)

Exkursionsteilnehmer unter Führung von Thomas Germann in der Kartensammlung der Zentralbibliothek Zürich bei der Betrachtung des Säntis-Reliefs von Carl Meile (Foto Beinstein)

Beim gemeinsamen Abendessen mit den Schweizer Kollegen wurde der als Überraschungsgast aus Bern angereiste, allen von der Bern-Exkursion 1983 wohlbekannte und überaus geschätzte Rudolf Knöpfli, begeistert begrüßt.


Angeregte Gespräche beim gemeinsamen Abend mit den Schweizer Kollegen aus Bern und Zürich (Foto Beinstein)

Am Samstag, dem 28.9., ging die Fahrt über die Autobahn vorbei an Winterthur bis Gossau, durch Herisau nach Urnäsch, wo Prof. Dr. Oskar Keller von der Universität Zürich/PHS St. Gallen die weitere Führung übernahm. Da er nach einer erst kurz zurückliegenden Operation auf Gehhilfen angewiesen war, fuhr ihn sein Schwager im Pkw voraus, so dass Erläuterungen während der Fahrt entfallen mussten. Zunächst ging es unter einer Hochnebelschicht hindurch, aber kurz vor der Schwägalp, der Talstation der Säntis-Seilbahn, war der Nebel von unten durchstoßen und die Landschaft lag in herrlichster Sonne. Die Schwägalp selbst lag noch im Schatten des Säntis. Mächtig ragte die Nordfront in die Höhe, oben am Grat fiel das Sonnenlicht durch die Scharten und beleuchtete die dahinterliegenden Zacken. Dieser Anblick war beeindruckend, um wie viel größer war er jedoch auf dem Gipfel, zu dem eine Schwebebahn die Besucher befördert.


Erläuterungen von Prof. Keller zum Aufbau des Alpstein-Massivs am Fuße der Nordwand des Säntis (Foto Beinstein)

Alpenpanorama vom Säntis-Gipfel aus. Im Vordergrund die Churfirsten (Foto Bär)

Prof. Keller benannte die wichtigsten Bergmassive und auch einzelne Berge, und erläuterte dann die Geologie und Morphologie des Alpsteins (Säntisgebirge) sowie die Alpen-Tektonik. Sehr anschaulich demonstrierte er mittels zweier Kartenblätter die Faltungen und Überschiebungen des Gebirges sowie die schuppenartige Stauchung der vorgelagerten Molasse. Während des Aufenthalts auf dem Säntis zogen sich die Hochnebelschwaden an den Hängen der Berge zusammen und gaben den Blick in die Täler frei. Nach der Talfahrt und einem Zwischenhalt im Urnäschtal, wo der späteiszeitliche Gletschervorstoß und dessen Zeugen im Bereich des Tosbachtals erörtert wurden, ging es weiter nach Appenzell.


Am Rande des Tosbachtals Erläuterungen zum späteiszeitlichen Gletschervorstoß und dessen Zeugen (Foto Mehlitz / Ausschnitt)

Am zentralen Landsgemeindeplatz angekommen wurden die Exkursionsteilnehmer in die Mittagspause entlassen, die jeder nach eigenem Gutdünken gestalten konnte. Nach dem Mittagessen stellte Prof. Keller Herrn Hüng, Kollege und Historiker von der PHS St. Gallen vor, der die Stadtführung übernahm und zunächst einen Einblick in die staatliche Organisation des Halbkantons Appenzell-Innerrhoden gab. Auf dem Landsgemeindeplatz beschrieb er die hier stattfindende Jahresversammlung in ihrem Ablauf und die für die Urdemokratie wichtigen Themen wie Wahlen zu Kirchen- und Schulgemeinde, Finanzausschüssen oder auch das Vortragen von Beschwerden oder von Anregungen zur Gemeindepolitik. Auf dem anschließenden Rundgang kamen die Appenzeller Bauweise und der farbige Schmuck der Bauten zur Anschauung. Die als Fachwerkbau vorgestellten Häuser werden auf der Schauseite durch überwiegend ornamental, vielfach aber auch figürlich bemalten Tafeln verkleidet. Die übrigen Seiten sind meist mit Schindeln bedeckt. Im Rathaus wurde der im ersten Stock gelegene Ratssaal aufgesucht. Er beeindruckte durch seine geschnitzte Holzdecke und die Bemalung. Der Fensterfront gegenüber ist an der Wand eine Tafel mit den Pflichten und Rechten der Gemeindeoberen angebracht. Darüber hängen zwei Richtschwerter als Zeichen von Macht und Rechtsprechung. Über den erhöhten Stühlen der Regierenden hält ein Bilderzyklus dem Gemeindeparlament das Leben Christi vor Augen. Bei der Fortsetzung des Rundgangs wurden weitere für den Formenreichtum der Appenzeller Baukunst wichtige Gebäude vorgestellt.


Beim geführten Rundgang durch Appenzell (Foto Beinstein / Ausschnitt)

Wieder auf dem Landsgemeindeplatz angekommen übernahm Prof. Keller die weitere Leitung der Exkursion, die ins Umland des Fleckens Appenzell führte und schwerpunktmäßig der Glazialmorphologie und lokalen Vergletscherung des Alpsteins in der Würmperiode der letzten Eiszeit gewidmet war. Da die Sicht auf den östlichen Alpstein durch Wolken teilweise verdeckt war, erwies sich eine Dreier-Bildserie des Schwendetals aus dem informativen, mehrfarbigen Exkursionsführer, den jeder Teilnehmer von Herrn Prof. Keller erhalten hatte, als überaus nützlich. Bild 1 zeigt das heutige Landschaftsbild im Süden begrenzt durch Alp Sigel, Bogartenfirst und Marwees. In Bild 2 ist die Vegetation entfernt und durch die Stratigraphie und Tektonik ergänzt. Das Bild zeigt wie sehr die Felsbänke in Pakete zerbrochen sind, teilweise vertikal verstellt und wie die Brüche und Verwerfungen die Kammlinie und die Talbildung beeinflussen. Bild 3 stellt eine Rekonstruktion der Weissbad-stadialen Vergletscherung in der Spätzeit vor gut 14.000 Jahren dar. Die Seitenmoränen des vom Säntis herab durch das Seealp- und Schwendetal vorrückenden Schwendigletschers waren bei Weissbad noch mehr oder weniger gut auszumachen. In Brülisau beim Hotel Krone verabschiedete sich Prof. Keller, und nach einer kleinen Kaffeepause traten auch die Hessen die Rückreise nach Zürich an, wo der Abend zur freien Verfügung stand.

Am Sonntagmorgen brachte der Bus die Gruppe nach Uitikon-Waldegg auf der Westseite des Üetlibergs. Von dort ging es mit der Bahn zur Bergstation und nach einem kurzen Fußweg war der Kulm (der höchste Punkt mit 870 m) erreicht.


Gruppenbild vor der Uetlibergbahn am Bahnhof Uitikon-Waldegg (Foto Beinstein)

Zunächst noch im Nebel waren Zürich und der See nur stellenweise zu sehen, aber während des Aufenthalts klarte es mehr und mehr auf, und schließlich lagen Berg, Stadt und See in strahlender Sonne. Aber es stand noch die Rückfahrt nach Frankfurt am Main an, und so musste die Talfahrt zum Bus angetreten werden, der dann in einem großen Bogen um Zürich herum über die Autobahn Konstanz ansteuerte, wo die Mittagspause abgehalten wurde.


Hafeneinfahrt von Konstanz am Bodensee mit der Statue Imperia (Foto Mehlitz)

In Konstanz war an diesem Sonntag just das Deutsch-Schweizer Volksfest. Große Teile der Altstadt waren mit Ständen und Buden vollgestellt und viele Menschen drängten durch die Straßen. Dennoch fand ein jeder das ihm zusagende Essen und manch einer auch noch die Zeit zu einem kurzen Stadtrundgang und Besuch des Seeufers. Die Ausfahrt aus der Stadt verzögerte sich durch einen Verkehrsunfall auf der Straße nach Singen um etwa eine Dreiviertelstunde, doch erst einmal auf der Autobahn ließ der Fahrer von Ramsauer-Reisen den Bus zügig rollen und nur noch von einer kleinen Pause unterbrochen erreichten die Reisenden den Frankfurter Hauptbahnhof nach Plan.

Allen, die zum Erfolg dieser Exkursion, sei es durch Planung und/oder Durchführung mitgewirkt haben, sei an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt.

Helmut Uhrig, Hafenlohr

 

Im Rahmen des oben genannten, mit den Schweizer Kollegen verbrachten gemeinsamen Abends wurden die Herren Josef Geier und Helmut Uhrig für ihre Teilnahme an allen Exkursionen des Landesvereins bzw. der Sektion Hessen geehrt und mit einer eigens dafür erstellten Urkunde bedacht.

Werner-Francisco Bär, Oberursel (Ts)

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© Sektion Hessen der Deutschen Gesellschaft für Kartographie